Süddeutsche Zeitung

Regensburg:Sensationelle Blamage statt Sensationsfund

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Von Andreas Glas, Regensburg

Alle lachen jetzt über Rudolf Reiser, doch ausgerechnet Albrecht Dürer hätte wohl Verständnis gehabt für den Kunstliebhaber und seinen Traum vom Sensationsfund. "Ach, wie oft seh' ich große Kunst (...) im Schlaf, desgleichen mir wachend nit fürkommt", hat Dürer mal gesagt - und welcher Kunsthistoriker träumt denn nicht davon, auf irgendeinem Dachboden ganz zufällig das Werk eines alten Meisters aufzuspüren?

Dem Historiker und früheren SZ-Journalisten Reiser ist genau das passiert, als er im Depot des Historischen Museums in Regensburg stöberte. Dachte er zumindest, als er beim Stöbern auf ein Ölgemälde stieß, das die Heiligen Drei Könige bei der Anbetung von Maria und Josef zeigen. Ein echter Dürer, da war sich Reiser absolut sicher. Und um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, sagte er: Die Expertise anderer Fachleute "interessiert mich nicht, die wären nur neidisch".

Weil Museumschef und Kulturreferent ganz angefixt waren von der Idee eines Sensationsfundes, haben sie drauf gepfiffen, die Echtheit des Gemäldes zu prüfen - und Reiser stattdessen das städtische Museum als Bühne freigeräumt, wo er den Fund im vergangenen Oktober höchst öffentlichkeitswirksam im Rahmen einer Pressekonferenz präsentieren durfte. Nun, fünf Monate später, ist bewiesen, was schon damals jeder ahnte, der sich mal peripher mit Dürer befasst hat: Das Gemälde ist kein Sensationsfund, sondern eine sensationelle Blamage für das Regensburger Museum.

Dass das Bild von Dürer stamme, sei "abwegig", heißt es in dem nun veröffentlichten Gutachten von Thomas Schauerte, Leiter des Nürnberger Dürer-Hauses, und Martin Schawe, Vize-Generaldirektor der Bayerischen Gemäldesammlungen. Weiter heißt es, das Bild habe eine "derart einfache, in ihrer Perspektivität im Grunde unverstandene Form", die mit der Präzision eines Albrecht Dürer gar nichts gemeinsam habe.

Überhaupt ist das Gutachten ein rechtes Armutszeugnis für den Museumsdirektor, den Kulturreferenten - aber auch für den unbekannten Maler des angeblichen Dürer-Bildes. Von "stumpfen Tönen" ist die Rede und davon, dass die Malweise von Dürer "so weit entfernt" sei wie "nur möglich". Ein Urteil, das Rudolf Reiser wohl für ebenso anmaßend halten dürfte, wie es Dürer getan hätte. Denn der sagte mal: "Was die Schönheit ist, weiß nur Gott."

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Quelle:
SZ vom 22.03.2017
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