Süddeutsche Zeitung

Haus der Bayerischen Geschichte:Liebe auf den zweiten Blick

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Von Andreas Glas, Regensburg

Im Foyer des Museums haben sie Absperrbänder gespannt, die den Menschenandrang in geordnete Schlangen zwingen sollen. Wie am Flughafen, vor den Check-in-Schaltern. Es ist nur so: Der ganz große Andrang bleibt aus am ersten Tag, an dem das Museum der Bayerischen Geschichte geöffnet hat. Anstehen muss am Mittwoch niemand, zufrieden ist Museumsdirektor Richard Loibl trotzdem. Um 13.30 Uhr ist die 1000-Besucher-Marke geknackt, bis zum Abend waren es 3500. "Ich hätte damit nicht gerechnet", sagt Loibl.

Am Dienstagabend war die offizielle Eröffnung, mit Politik und Prominenz. Nun, am Mittwoch, darf das breite Publikum ins Bayern-Museum. Und vor allem dürfen die Regensburger rein, die in den vergangenen Monaten und Jahren so kontrovers gestritten haben. Über die Architektur und über das Ausstellungskonzept des neuen Museums. Werden das fertige Haus und die fertige Ausstellung diejenigen überzeugen, die mit großen Erwartungen herkommen? Oder werden sich eher die Skeptiker bestätigt fühlen?

"Ich finde es jetzt schon toll", sagt die Regensburgerin Melanie Meier, als sie um 10.30 Uhr das Foyer betritt, samt Tochter im Kinderwagen. Die Keramikfassade des Museums, schwärmt sie, "die könnte ich mir an meinem Haus auch vorstellen". Anders hört sich das bei den zwei Frauen an, die gerade mit der Rolltreppe vom Foyer zur Ausstellung im Obergeschoss fahren. "Wir haben nicht so große Erwartungen", sagt Christa Ettlin, das habe auch mit der Architektur des Museums zu tun. Diesen "Kasten", den "hätte es nicht unbedingt gebraucht", findet auch ihre Begleiterin Rosi Gregori.

Oben angekommen, gleich links um die Ecke, stehen Hans Heinersdorfer, 80, und Werner Hinz, 76, vor dem Schaufenster, in dem das Dirndl der früheren Wiesn-Chefin Gabriele Weishäupl ausgestellt ist. Na, wie ist der erste Eindruck von der Ausstellung? "Überragend", sagt Heinersdorfer. Und die Architektur? "Vielleicht", sagt er, "bin ich der einzige Regensburger, dem die Fassade gefällt."

Nein, das ist er nicht. Manche Besucher klingen fast verliebt, wenn man sie nach der Architektur fragt. Das ist durchaus eine Erkenntnis, die man mitnimmt vom ersten Tag im Bayern-Museum: Dass diejenigen, die so über das Äußere des Museums geschimpft haben, womöglich doch nicht zur großen Mehrheit in der Stadt gehören.

Was das Innere angeht, hat Hans Heinersdorfer, dann aber doch einen klitzekleinen Kritikpunkt. "Was mir fehlt, sind Richtungspfeile."

Auch damit ist er nicht alleine. So ähnlich hört man das sehr oft am ersten Tag. "So verschachtelt", sagt einer, "wie ein Labyrinth", sagt ein anderer. Immer wieder sieht man Orientierungslose, die nicht recht wissen, ob sie links oder rechts abbiegen sollen. "Ein bisschen verwirrend", das gibt sogar Museumsdirektor Loibl zu. "Wir arbeiten dran", sagt er und verspricht, dass es bald Wegweiser geben wird. Und auch diesen Satz hört man öfter: "Ziemlich dunkel hier." Viele, vor allem ältere Besucher heften ihre Augen ganz nah an die Texte neben den Exponaten. Man habe im Laufe des Tages bereits nachgebessert, sagt Richard Loibl, der auch noch "ein paar Strahler kaufen" will, um die Ausstellung besser auszuleuchten.

"Es ist dunkel, aber sonst passt es", sagt Cornelia Platz, 57, die gerade über den Wolpertinger lacht, den die Museumsmacher zwischen mehreren ausgestopften Tieren platziert haben. Die Architektur findet sie "mutlos", sagt aber auch: "Ich bin dafür, dass man neuen Dingen eine Chance geben muss." Ihr erster Eindruck von der Ausstellung? "Interessant, abwechslungsreich und man kann viel begreifen, im wahrsten Sinne des Wortes."

Ein Museum zum Greifen, zum Anfassen, das war ja der Plan der Macher. Dass dieser Plan aufgeht, ist schon jetzt zu erkennen. Ein Besucher nach dem anderen presst sich in das Goggomobil, dieses winzige Auto, das früher in Dingolfing produziert wurde. Auch in Karl Valentins Raketenflugzeug steigt einer nach dem anderen ein. Und der riesige Leuchttisch mit dem Satellitenbild von Bayern ist ebenfalls ziemlich belagert. Die Leute stehen drumherum und balancieren mit Tablets, die Informationen aus jeder der gut 2000 bayerischen Gemeinden anzeigen.

Architektur, Entstehung, Ausstellungsstücke: Ein digitales Dossier zum neuen Museum des Hauses der Bayerischen Geschichte gibt es im Kiosk der SZ-Zeitungsapp und unter sz.de/museum zum Herunterladen.

Die Menschen lachen, reden und diskutieren über die Exponate. Das Museum ist ein Ort der Kommunikation, das ist sofort zu spüren. Und trotzdem: Fragt man die Besucher, die über die Ausgangstreppe zurück ins Foyer gehen, fällt deren Urteil gemischt aus. "Ein Hohn auf die Geschichte", sagt eine Frau über die vielen Bierkrüge und das ausgestellte Faschingskostüm von Ministerpräsident Markus Söder. "So ein Schmarrn", sagt auch Eva Storf, die mit ihrer Freundin Annette Weber-Torke ins Museum gekommen ist.

Storf ist Allgäuerin, Weber-Torke lebt in Niedersachsen. Die beiden Frauen haben in Regensburg studiert, sind gerade zu Besuch da. "Ein Sammelsurium an Irgendetwas", sagt Storf. "Zu viel Heroismus, zu dick aufgetragen", sagt Weber-Torke. Der 360-Grad-Panoramafilm über die Zeit der Römer bis ins 19. Jahrhundert habe ihnen aber gut gefallen, sagt Storf. "Der Film hat leider mehr versprochen, als die Ausstellung halten konnte." Reinhard Seidl, 68, sieht das alles ganz anders. "Sehr gut" sei die Ausstellung. Bierkrüge, König Ludwig, Franz Josef Strauß, "das gehört halt zu Bayern dazu", findet er.

Fazit des ersten Tages: In Regensburg gehen die Meinungen auch nach der Eröffnung des Museums auseinander. Für die Macher muss das nicht schlecht sein. Ein Museum, über das gestritten wird, ist ein lebendiges Museum.

Das Dossier zum Haus der Bayerischen Geschichte ist im digitalen Kiosk der SZ verfügbar. Es beleuchtet Konzept, Entstehungsgeschichte und Architektur des Museums. Zudem werden die Geschichten ausgewählter Ausstellungsstücke erzählt.

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Quelle:
SZ vom 06.06.2019
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