Süddeutsche Zeitung

Mutmaßliches Mitglied der "Feuerkrieg Division" vor Gericht:Spitzname "Heydrich"

Lesezeit: 4 min

Ein junger Mann aus Cham wollte offenbar Menschen töten, im Keller des Elternhauses könnte er sich radikalisiert haben. Vor Gericht bestreitet er die rechtsradikalen Anschlagspläne.

Von Clara Lipkowski

Er habe ein "Heiliger" werden und statt Chlorgas Werkzeuge einsetzen wollen, die "hautnah und persönlich" seien. Das Ziel sei es gewesen, "möglichst viele Menschen zu töten". So sieht es die Staatsanwaltschaft. Sie legt Fabian D. zur Last, Anfang des Jahres kurz vor einem Attentat gestanden zu haben, einem, das die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet hätte. Die Waffen dazu habe er sich schon besorgt, im Internet über die Ausführung informiert. So ist die Ausgangslage am Donnerstag. Es ist der erste Tag im Prozess um einen mutmaßlichen, einen Beinahe-Rechtsterroristen am Landgericht Nürnberg-Fürth. Bevor er zur Tat schreiten konnte, nahm ihn die Polizei Anfang des Jahres fest.

D., 23 Jahre alt, hat sich für diesen Tag einen schwarzen Anzug mit weißem Hemd angezogen. Er trägt eine schwarze Brille, Undercut, sein Gesicht verbirgt er hinter einem blauen Aktenordner. Seit knapp zehn Monaten sitzt der Elektriker aus einem Dorf bei Cham in der Oberpfalz in Haft. Zwischenzeitlich war er in einstweiliger Unterbringung, was etwa angeordnet wird, wenn jemand psychisch auffällig wird.

Im Gerichtssaal wirkt er angespannt, aber konzentriert. In vier Prozesstagen will das Gericht nun ergründen, was für ein Mensch Fabian D. ist. Sind die Vorwürfe begründet? Wie hat er sich radikalisiert? Ist er schuldfähig? Zum ersten Mal steht mit Fabian D. ein mutmaßliches Mitglied der rechtsextremistischen Gruppe "Feuerkrieg Division" vor Gericht.

Gleich zu Beginn erbitten die Verteidiger von Fabian D. das Wort und teilen mit: Ja, D. habe sich Waffen besorgt. Diese seien aber gedacht gewesen, um im Schützenverein zu schießen. Ja, er sei in rechtsextremen Chats unterwegs gewesen. Anschlagspläne aber habe "niemals" gehabt. Er habe niemandem schaden wollen.

Fest steht, dass sich D. eine "Deko-Waffe", Modell AK47 von Kalaschnikow, im Internet bestellt hat. Diese wollte er offenbar als Vorlage nutzen, um ein Sturmgewehr funktionsfähig zu machen. Er orderte Zubehör, ein Gewehrgehäuse, Schreckschusspistolen und Luftgewehre. Den Angaben eines Arbeitskollegen zufolge, der im Schützenverein ist, habe sich D. erkundigt, wie er eine Schreckschusspistole "scharf" machen könne. Dann habe der heute 23-Jährige der Staatsanwaltschaft zufolge, "Orte der Andacht", eine Moschee oder Synagoge, gesucht, um Menschen zu ermorden.

So präzise sich die Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft München liest, umso verschwommener ist das Bild das am Donnerstag von dem Mann im Saal entsteht. Seine Mutter beschreibt ihn als ruhig. Als einen, der in der Schule als "Riesenbaby" gehänselt wurde, weil er keinen Alkohol trinken wollte. Später sei D. von Kollegen der Name "Heydrich" verpasst worden, erzählt sie. Offenbar, weil er tschechischen Kollegen gegenüber dominant aufgetreten sei, berichtet ein früherer Kollege. Mit wenigen Worten zwar, aber sehr bestimmt habe er auftreten können, sagt ein anderer. Jenen Spitznamen deutete Fabian D. später offenbar für sich um. Gemeint ist Reinhard Heydrich, hochrangiger SS-Mann, der von Hermann Göring mit der "Endlösung der Judenfrage" beauftragt worden war. Unter jenem Pseudonym postete D. Beiträge in Chatgruppen der rechtsextremen "Feuerkrieg Division". Nicht mehr als das Mobbingopfer, sondern als einer, der verkündete, zur Tat zu schreiten.

Durch das Mobbing in der Schule, so erzählt es die Mutter, sei er eigenbrötlerisch geworden. Überhaupt mache er nicht viele Worte, sagt später sein Vater aus. In seiner Einliegerwohnung im Keller seines Elternhauses habe er sich mit seinem Computer zurückgezogen, jahrelang gezockt, so gut wie keine Freunde gehabt, viel gelesen, irgendwann selbst gekocht, weil ihm das Essen seiner Mutter nicht mehr geschmeckt habe und es darüber Streit gegeben hatte. Das familiäre Verhältnis erscheint kühl.

Fabian D. soll im Internet Schließtechniken recherchiert haben

Begann von 2018 an seine Radikalisierung? Das bleibt unscharf. Weltweite Terroranschläge habe er verfolgt, beschreibt sein Cousin dem Gericht. D. habe 2019 das Live-Video des Terroristen von Christchurch in Neuseeland gesehen und es ihm gezeigt. Besonders mit dem Attentäter von Halle habe er sich beschäftigt. Der Attentäter Stephan B. hatte 2019 am jüdischen Feiertag Jom Kippur versucht, in eine Synagoge einzudringen. Eine massive Holztür hatte verhindert, dass er Dutzende Menschen in dem Gotteshaus töte. Anschließend ermordete B. eine Passantin und einen Gast in einem Dönerimbiss. Unter diesem Eindruck soll Fabian D. im Internet Schließtechniken recherchiert haben. Wenn er seinen Plan in die Tat umsetzte, sollte ihn nichts aufhalten, auch keine Tür, so die Auffassung der Staatsanwaltschaft.

Eigentlich wollte D. zur Bundeswehr, Bereich Cybercrime. Doch er brach nach wenigen Tagen ab. Seine Tatpläne verfolgte er dann offenbar von der Souterrainwohnung in seinem Elternhaus aus. Dass sich vieles um sein Computer drehte, soll er auch bei der Arbeit erzählt haben, sagt eine ehemalige Kollegin aus, außerdem soll er geprotzt haben, dass er Waffen und Messer besitze. Einmal habe er sie mit der Frage überrascht, ob sie Angst vor Messern habe und dann eines aus seiner Militärhose gezogen. "Er schien mit dem Messer angeben zu wollen", sagt die Kollegin im Gerichtssaal. Er arbeitete nicht lang bei der Firma. Seine Leistungen seien "unterdurchschnittlich" gewesen.

Als Ermittler ihn im Februar festnahmen, zeigte er sich kooperativ. Er gab ihnen Einsicht in die geschlossene Chatgruppe der "Feuerkrieg Division", wo er gefragt habe, was er tun müsse, um "berühmt" zu werden. Er soll sich sogar angeboten haben, Infos aus der Szene weiterzugeben. Und er verortete sich politisch bei der AfD. Belesen sei er beim Thema "Drittes Reich" gewesen, sagt ein Ermittler aus. Doch es bleibt unklar, was genau ihn antrieb. Wo er seine Tat umsetzen wollte. In einer Pause rückt er sorgfältig den Stuhl an den Tisch, bevor er den Saal verlässt. Er dreht sich nicht zum Zuschauerraum um, wo seine Eltern sitzen. Der Prozess wird fortgesetzt.

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