Süddeutsche Zeitung

Politik in Bayern:Die Freien Wähler wollen den "Größenwahn" der CSU eindämmen

Lesezeit: 3 min

Von Andreas Glas

Bevor die Pressekonferenz losgeht, fragt Hubert Aiwanger nach einem Glas Wasser. Eine Journalistin ist so freundlich, sie greift nach einem leeren Glas. Vor ihr stehen zwei Flaschen, spritziges und stilles Wasser. Also, spritzig oder still? "Spill", sagt Aiwanger. Was eben rauskommt, wenn man spricht, bevor sich der Kopf zwischen zwei Optionen entschieden hat: irgendetwas in der Mitte.

Um die Mitte geht es auch, als Aiwanger Platz nimmt hinter den Mikrofonen. Um die Mitte der Gesellschaft, "den normalen Menschen", den die CSU nicht mehr erreiche. "Es ist genau diese arrogante Münchner Politik, die wir bekämpfen", sagt Aiwanger. Und macht deutlich, dass die Mitte der Gesellschaft für die Freien Wähler auch an den Rändern Bayerns liegt, an denen die CSU bei der Bundestagswahl viele Stimmen verloren hat. Auf dem Land, sagt Aiwanger, hätten die Menschen gemerkt, "dass Bayern nicht das Paradies ist", von dem die CSU immer spricht.

Bei ihrem Versuch, das Paradies als Lüge zu entlarven, hat den Freien Wählern in diesen Tagen der Zufall geholfen. Für die dreitägige Klausur ihrer Landtagsfraktion hatte die Partei in einem "Romantik-Hotel" in Bergen bei Neuburg an der Donau eingecheckt - ohne sich vorher zu informieren, dass es im Hotel keinen Handyempfang gibt. Der Zufall wollte es, dass nach zwei Tagen auch das Internet ausfiel, und zwar im ganzen Ort. Die abschließende Pressekonferenz am Freitag wurde deshalb in einen internetfähigen Tagungsraum nach Neuburg verlegt. Wo Aiwanger den Zufall der Internet-Panne natürlich als Steilvorlage nutzt.

"Das Mobilfunkdesaster im Heimatkreis von Horst Seehofer spricht ja für sich", sagt der Chef der Freien Wähler und grinst. Subtext: Dass die CSU nicht mal im Stimmkreis des Ministerpräsidenten für stabiles Internet sorgen kann, ist der Beweis, dass die Staatsregierung mit der Digitalisierung des ländlichen Raums gescheitert ist. Aus Aiwangers Sicht hilft da nur eines: Die Freien Wähler müssen mitregieren, "um die CSU wieder zu einer vernünftigen Heimatpartei zu machen", die auch die Menschen auf dem Land wieder erreicht. Statt "Größenwahn", wie ihn die CSU pflege, wolle sich seine Partei "ganz weit runterbeugen zu den Menschen".

Wie das mit dem Mitregieren klappen soll, darüber haben die Freien Wähler in den drei Tagen im Neuburger Romantik-Hotel beraten. Die Fraktion ist noch mal in sich gegangen, bevor es richtig losgeht mit ihrer Kampagne für die Landtagswahl im Oktober. Sieben Prozent sagen die Umfragen für die Freien Wähler voraus, "acht bis zehn Prozent sollten drin sein", sagt Aiwanger. Dass eine Mehrheit der befragten Wähler eine schwarz-grüne Regierung bevorzugt, schreckt Aiwanger nicht. "Die CSU-Basis will kein schwarz-grün", sagt Aiwanger, deshalb schließe er ein solches Bündnis "so gut wie aus".

Mehr Asylrichter und Polizei statt schärferer Gesetze

Zu den Wahlkampfthemen, die die Freien Wähler am Ende ihrer Klausur präsentieren, gehört natürlich die Straßenausbaubeitragssatzung. Mit Hilfe eines Volksbegehrens wollen sie die Satzung abschaffen. Die Bürger sollen nicht mehr zahlen müssen, wenn vor ihrem Grundstück Straßen gebaut oder Gehwege repariert werden.

Am 22. Januar beginnt die Unterschriftensammlung für das Volksbegehren. Geht es nach den Freien Wählern, soll auch die Kinderbetreuung in Zukunft kostenlos sein, "von der Krippe bis zum Kindergarten", heißt es im Papier, das die Partei zum Abschluss der Klausur an die Journalisten austeilt. Den Freistaat würde dies 500 Millionen Euro kosten, rechnet Aiwanger vor. "Das können und sollten wir uns leisten."

Zudem spricht sich die Fraktion weiterhin gegen die geplanten Stromtrassen im Freistaat aus. Der "massive Flächenfraß", sagt der energiepolitische Sprecher Thorsten Glauber, sei nicht zu rechtfertigen. Statt Braunkohle zu subventionieren, brauche es Investitionen in die sogenannte Power-to-Gas-Technologie. Dabei wird überschüssige Energie in Gas umgewandelt, das ins Erdgasnetz eingespeist und dort gespeichert werden könnte.

Auch bei den Themen Migration und Innere Sicherheit bleibt die Partei bei ihren Forderungen: mehr Asylrichter und mehr Polizei statt schärferer Gesetze. Es gebe "kein Gesetzesdefizit, sondern ein Anwendungsdefizit", sagt Aiwanger. Durch mehr Personal könnten Asylanträge schneller bearbeitet, abgelehnte Bewerber schneller abgeschoben und Bewerber mit Bleibeperspektive schneller in Arbeit gebracht werden. In der Asylpolitik, sagt Hubert Aiwanger, "sind wir keine Hardliner, aber auch keine Schönredner". Das taugt dann auch als Fazit ihrer Klausur: Die Freien Wähler suchen ihren Platz in der Mitte.

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SZ vom 13.01.2018
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