Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bayern:Papst, Pelé und Poltergeister

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In Bayern verlief der Jahreswechsel sehr still und sehr laut. Geprägt wurde er nicht nur vom Tod des Papstes und eines berühmten Fußballers, sondern auch von jener Orientierungslosigkeit, die auch auf dem Land rasant um sich greift.

Von Hans Kratzer

Als am Samstag im Getränkemarkt auf einem Smartphone die Nachricht vom Tod Papst Benedikts XVI. aufploppte und sogleich die Runde machte, hielt sich die Betroffenheit der Kundschaft in Grenzen. Eine Handvoll Männer, die in einer Ecke ratschten, verdauten gerade einen anderen Verdruss. Immerhin ist kurz vorher auch Pelé gestorben, ein Tod, der ihre Herzen noch tiefer berührte, denn sie waren früher allesamt Fußballer. Der große Pelé, so klagten sie, ein Fußballgott!

Einer aus der Runde erzählte, die Bildzeitung habe den argentinischen Fußballer Lionel Messi - auch er wird als gottähnliches Wesen verehrt - mit der Schlagzeile " Messi-as" gewürdigt. Deshalb muss hier unbedingt daran erinnert werden, dass sich der verstorbene Papst - als er noch der Theologe Joseph Ratzinger war - intensiv mit der Messiasfrage beschäftigt hat, wobei er aber den Fußball mit keinem Wort erwähnte.

Als Kardinal Ratzinger vor 17 Jahren zum Papst gewählt wurde, war die Position des Messias noch klar geregelt, und die Dorfkirchen in Bayern waren wenigstens am Sonntag noch einigermaßen voll. Auf den Dörfern war die Zahl der Gottesdienstbesucher ähnlich hoch wie danach beim Kreisklassenspiel auf dem Fußballplatz. Mittlerweile herrscht in den Dorfkirchen eine erschreckende Leere, die Ränge auf dem Fußballplatz aber sind immer noch gut gefüllt.

Mit dem Amtsantritt Papst Benedikts XVI. schien der bayerische Katholizismus noch einmal aufzublühen. Es wirkte so, als stünde der liebe Gott den Menschen in einer letzten Aufwallung des Glaubens etwas näher als all die vergänglichen irdischen Mächte mitsamt der Fußballreligion. Doch war es nur ein kurzes Aufflackern, selbst am Todestag des Papstes wirkte der alte Volkskatholizismus beinahe wie erloschen.

An Silvester soll man keine Wäsche aufhängen, hieß es früher, die Poltergeister der Raunächte könnten sich darin verfangen. Nun scheinen sie ins Internet abgewandert zu sein. Dort wünschten besonders bösartige Gestalten dem verstorbenen Papst einen guten Rutsch.

An Silvester ging es mancherorts schon tagsüber sehr laut her, zu viele Menschen taumeln zurzeit orientierungslos durch die Welt. Es wurde geböllert wie von Sinnen, die Stille wich dem Kanonenlärm. Einen derart krachenden Silvestertag hat es lange nicht mehr gegeben. Sollten die bösen Geister immer noch nicht alle verjagt sein - jetzt sind sie zumindest dorert (taub).

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