Süddeutsche Zeitung

Wer hat's erfunden?:Streit um die Breze: Schwaben gegen Bayern

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Cem Özdemir will die bayerische Breze und die schwäbische Brezel gleichberechtigt als Kulturerbe anmelden. Viel Glück! Schließlich wäre es das erste Mal, dass der Vorschlag eines Ampel-Politikers in Bayern auf Zuspruch stößt.

Glosse von Maximilian Gerl

Wer ein unvoreingenommenes, vollkommen neutrales Gremium wie die Bayernredaktion der SZ fragen würde, wo es die besten Brezen gibt - ja, die oder der bekäme eine eindeutige Antwort: in Bayern natürlich! Aber wo da? Im Süden, sagt ein Kollege. Keinesfalls außerhalb Altbayerns, meint ein anderer. Ein Dritter mahnt daraufhin nachdrücklich zur Vorsicht.

Auch für den Baden-Württemberger Cem Özdemir ist die Sache klar: "Die Bayern glauben, dass ihre Brezel die beste ist, und wir wissen, dass unsere die beste ist", sagte er jüngst. Oder anders, so kurz wie provokant: "Die beste Brezel ist schwäbisch." Trotzdem will der Bundeslandwirtschaftsminister Nachsicht üben - und die schwäbische Brezel gemeinsam mit der bayerischen Breze als Kulturerbe bei der Unesco anmelden. Und weil sich Österreich, die Schweiz und das Elsass ähnlicher Backtraditionen rühmen, sollen auch deren Brezen den Titel führen dürfen. Ein trotz aller Geschmäcker länderübergreifendes Projekt also.

Was die Unesco von alldem hält, ist nicht bekannt. Aber Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, heißt es bei der Tagesschau, soll von der Idee angetan sein. Was erstaunlich wäre, denn die CSU lehnt Vorschläge von Ampel-Politikern sonst grundsätzlich als ideologisch oder Bayern-Bashing ab. Noch erstaunlicher wäre allein, wenn die neue Einigkeit anhielte. Einen Titel freiwillig mit den Schwaben UND Österreichern teilen? Eher wahlkampfuntauglich, in bayerischen Bierzelten gibt's für so was exakt null Punkte.

Und dann ist da ja noch der ewige Streit, wem die Welt dieses Geschenk von Gebäck überhaupt verdankt. Die Schwaben glauben an einen Bäcker, der seine Hinrichtung nur habe abwenden können, wenn er einen Kuchen erfinde, durch den dreimal die Sonne scheine. Für die Bayern hingegen ist erwiesen, dass die Breze bei einem Backunfall entstand, bei dem Zuckerwasser und Natronlauge durcheinander gerieten.

Die Lage ist also verknoteter, als sie scheint. Und wenn die Niederländer wollten, könnte daher jetzt ihre große Stunde schlagen: Der köstliche Knoten als Kulturgut des süddeutschen Sprachraums, von wegen! Schließlich malte Pieter Bruegel der Ältere schon um 1559 in den "Kampf zwischen Karneval und Fasten" eindeutig een pretzel hinein.

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