Süddeutsche Zeitung

Franken:Schäufele gibt's jetzt vom Roboter

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Regelmäßig fallen Nürnberger zu Tausenden in fränkische Landgasthäuser ein. Nur ist kaum noch Personal da, um sie auch zu bedienen. Die Lösung? Die tischnummernprogrammierte Frau Hilde!

Glosse von Olaf Przybilla, Dormitz

Ulrich Maly, ehemaliger Rathauschef von Nürnberg, hat gelegentlich über seinen persönlichen Schäufeleradius referiert - jenen Kreis also, den er vor allem am Wochenende nutzt, um im Umland dem fränkischen Nationalgericht zuzusprechen. Eigenen Angaben zufolge hat des Altoberbürgermeisters Radius respektable Ausmaße, Maly entspräche damit idealtypisch jener Liebkosung, die die Umland-Franken für die Großstadt-Nürnberger generell anwenden. Als "Kahlfresser" werden sie umgarnt, eben weil sie turnusgemäß ausschwärmen, in Landgasthäuser einfallen und nach ihrem Schäufele verlangen.

Um freilich den "Grünen Baum" von Dormitz zu beehren, braucht's keinen Großradius. Der Ort liegt im oberfränkischen Landkreis Forchheim, im Grunde aber ist er ein leicht abseits gelegener Stadtteil von Erlangen. Beste Voraussetzungen also für Kahlfresser, was einer der Gründe dafür sein mag, dass der Wirt Stefan Kammermayer seit Jahren über flagranten Schäufelefachkräftemangel klagt. Das Zubereiten, sagt er, sei halt nur das eine. Wenn aber an jedem Tisch fünf Schäufele-Interessenten Platz nähmen, allesamt mit berechtigtem Zusatzanspruch auf den einschlägigen Beilagensalat, so müsse selbst die geübteste Fachkraft mehrfach zwischen Küche und Schäufele-Bewerbern hin und her pendeln, um allen Begehrlichkeiten genüge zu tun.

Es braucht also Personal, das es nicht gibt. Das Virus habe diese Malaise selbstredend nicht besser gemacht, Fachkräftemangel herrscht ja überall inzwischen, nicht nur bei den Schäufele-Anbietern. Was also tun? In seiner Not hat Kammermayer Hilde angestellt, auf 1000-Euro-Leihbasis, eine Kellnerin aus Fernost, der man keinen Tort antut, wenn man sie einen Lieferroboter nennt, wendig, virusresistent, akkurat. Bierkapazität: mehr als 50 Gläser pro Ausfahrt. Oder bis zu neun Beilagensalate.

Allmächd: Will sich der Franke - dieses Kommunikationswunder - nun wirklich von einem Computer bewirten lassen? Pläuschchen mit fränkischem Lebendpersonal seien weiter umstandslos möglich, beruhigt Kammermayer. Es gebe aber auch Gäste inzwischen, die Wert darauf legten, ihre Beilagensalate von der tischnummernprogrammierten Frau Hilde ausgehändigt zu bekommen. Weil die keinen Smalltalk will? Kein Trinkgeld? Wie auch immer. Frau Hilde hat Aussicht auf eine Festanstellung.

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