Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl:Die Grünen sind auch in Nürnberg im Kommen

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Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Wer vor ein paar Jahren prognostiziert hätte, die Grünen könnten bei der OB-Wahl 2020 in Nürnberg die entscheidende Rolle spielen - hätte sich vorwerfen lassen müssen, von dieser Stadt wenig zu verstehen. Nürnberg ist die zweitgrößte Stadt Bayerns, politisch aber tickt sie ganz anders als München. Ein rot-grünes Milieu? Davon war in Nürnberg über Jahrzehnte nie die Rede. Es gibt die Roten in Nürnberg, die dominieren die Stadtpolitik. Es gibt die Schwarzen, die gewinnen Landes- und Bundeswahlen. Die Grünen gibt es auch, die aber spielten hier wie dort eine marginale Rolle in dieser großen historischen Arbeiterstadt in Bayern. Bislang.

Und jetzt? Ist alles ganz anders. Die SPD hat längst einen Kandidaten für die Ära nach OB Ulrich Maly (SPD) benannt, den 34-jährigen Thorsten Brehm. Die CSU hat kürzlich nachgezogen, auch sie zieht mit einem jungen Mann in den Wahlkampf, mit dem 38-jährigen Marcus König. Damit wäre das Duell eigentlich abgesteckt. Tatsächlich aber warten nun alle darauf, wen die Grünen nominieren. Einen "Dreikampf" sagt Ministerpräsident Markus Söder für seine Heimatstadt voraus. Und keiner mag ihm widersprechen. Mitentscheidend wird sein, wer es in die Stichwahl schafft.

Ende Juni werden die Grünen in der Jahreshauptversammlung über ihre Kandidatin entscheiden. Dass sie mit einer Frau ins Rennen gehen, gilt längst als ausgemachte Sache. Die Konkurrenz tritt mit Männern an, da wären die Grünen schlecht beraten, würden sie keine Alternative anbieten. Als quasi geborener Kandidat wäre eigentlich Achim Mletzko in Frage gekommen, profilierter und argumentationsstarker Chef der Grünen im Stadtrat. Der aber hat aus freien Stücken bereits verzichtet. "Wir wollen eine Kandidatin", sagt Mletzko.

Wer als Spitzenkandidatin gehandelt wird

Ein Findungsteam haben die Grünen eingesetzt, über vier mögliche Kandidatinnen wird seit Monaten spekuliert. Mit Informationen gibt sich die Partei sehr zurückhaltend, soll doch nicht ein Eindruck entstehen, alles sei in Hinterzimmern bereits ausgeheckt worden - wie ihn vor allem die SPD bei ihrer Kandidatenkür hinterlassen hat. Als dort Maly im März seinen Rückzug ankündigte, waren die Weichen hinter den Kulissen längst für den örtlichen Parteichef Brehm gestellt.

Trotzdem verdichten sich bei den Grünen nun vier Wochen vor der offiziellen Entscheidung alle Anzeichen für eine Formation. Nach SZ-Informationen plant die Partei, mit der Landtagsabgeordneten Verena Osgyan, 48, in die für Nürnberg historische Wahl zu ziehen. Die ebenfalls lange gehandelte Britta Walthelm, grüne Vize-Chefin im Stadtrat, will im September Nürnbergs Umweltreferenten Peter Pluschke beerben. Die Stadträtin Andrea Friedel wiederum dürfte die Stadtratsliste anführen - wodurch die Grünen mit einer weiblichen Doppelspitze in diese Wahl ziehen würden.

Mit dieser Formation konfrontiert, will Daniel Arnold, Co-Chef der örtlichen Grünen, nicht widersprechen. Er lege aber Wert auf die Feststellung, dass sich noch in der Versammlung Ende Juni "Kandidaten bewerben können". Arnold beschreibt die euphorische Stimmung, in der sich seine Partei gerade befindet. Auch und gerade in Nürnberg: Auf 24,2 Prozent der Stimmen kamen die Grünen dort bei der Europawahl, ein "gigantischer Erfolg", sagt Arnold. Was die Grünen besonders freue: Viele seien stets davon ausgegangen, dass in Nürnberg nur "Akademiker ohne Existenzsorgen" grün wählten. In der Stadt wären der Partei dadurch enge Wachstumsgrenzen gesetzt gewesen. Nun aber zeige sich, dass die Grünen selbst in den prekären Stadtquartieren Erfolge beschieden sind.

Fraktionschef Mletzko setzt ebenfalls auf Sieg bei der OB-Wahl. Zwar wurden die Grünen in der Stadt vom Oberbürgermeister Maly lange regelrecht ignoriert - Maly präferierte stets große Kooperationen mit der CSU. Nun aber steuere die Stadt auf eine "Klima-Wahl" zu, sagt Mletzko. Und auch wenn sich CSU und SPD nun bereits mit grünen Ideen überträfen - "die Leute wählen das Original", ist er sich sicher.

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Quelle:
SZ vom 04.06.2019
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