Süddeutsche Zeitung

Nürnberg:An der Seite der Wirtschaft

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Armin Zitzmann, seit einem Jahr Präsident der mittelfränkischen IHK, vertritt offen unternehmens­freundliche Positionen

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Noch einmal traf man sich, nicht ahnend, dass es das letzte Mal sein würde für lange Zeit. Ministerpräsident Markus Söder war gekommen, der scheidende Oberbürgermeister Ulrich Maly gab eine Abschiedsvorstellung und nahezu je-der, der im wirtschaftlichen oder politischen Mittelfranken eine größere Rolle spielt, war gekommen. Es galt, das neue "Haus der Wirtschaft" in Nürnberg und gleichzeitig den Wechsel im Präsidentenamt der mittelfränkischen Industrie- und Handelskammer zu zelebrieren.

Eng stand man zusammen an jenem Abend Anfang März 2020, im bis zu 14 Meter hohen Atrium der runderneuerten IHK-Zentrale. An den Stehtischen drehten sich die Gespräche zwar um ein neues Virus, das von China her im Anmarsch sei. Weit mehr aber war die Rede von Aufbruch und Zuversicht. Denn dieses bis dato letzte große Treffen von Wirtschaft und Politik in Nürnberg fiel in eine Zeit, in der es dem fränkischen Ballungsraum wirtschaftlich so gut ging wie lange nicht mehr.

Ein Jahr später ist das Konjunkturklima, das die mittelfränkische IHK alle vier Monate misst, ziemlich abgekühlt. "Die Industrie trotzt der Krise, aber Einzelhandel, Gast- und Veranstaltungsgewerbe kämpfen teilweise um ihre Existenz", sagt nun der ein Jahr amtierende IHK-Präsident Armin Zitzmann.

Normalerweise ist der Posten ein angesehenes, repräsentatives Ehrenamt mit politischem Einfluss. Im Hauptberuf Vorstandsvorsitzender der Nürnberger Versicherung hatte Zitzmann auch klare Vorstellungen, wie er seine neue Rolle als Sprecher von etwa 150 000 Mitgliedsunternehmen in Mittelfranken ausüben wollte. Sein zum Abschied viel gelobter Vorgänger, der Mittelständler Dirk von Vopelius, hatte sich in seinen zehn Präsidentenjahren vor allem als Vermittler positioniert. Als Brückenbauer zwischen Unternehmen und Politik, aber auch zwischen Wirtschaft und Gesellschaft. Die IHK sei keine Lobbyorganisation der Arbeitgeber, so sein Rollenverständnis. Zitzmann sieht das anders. "Unsere Mitglieder sind Unternehmen und deren Anliegen müssen wir kraftvoll vertreten, damit auch diese Seite gehört wird."

Gut möglich also, dass unter normalen, nichtpandemischen-Umständen mehr Lobbyistisches zu hören gewesen wäre vom Präsidenten der zweitgrößten IHK in Bayern. Zitzmann ("ich bin schon impulsiv und kann auch mal hochgehen, aber ich habe in 25 Jahren auch gelernt, Entscheidungen im Team zu treffen") geht die verbindliche Geschmeidigkeit seines Vorgängers Vopelius ab; er vertritt unternehmensfreundliche Positionen kompromissloser. Auch bei den großen und in der Bevölkerung aktuell umstrittenen Großvorhaben.

Ein neues Amazon-Sortierzentrum in Allersberg? "Wenn wir alle ausbremsen, die sich bei uns ansiedeln wollen, werden wir uns nicht weiterentwickeln." Ein Center Parcs im Fränkischen Seenland? "Ich sehe das positiv und auch unsere Gremien vor Ort sind wegen der gesamtwirtschaftlichen Impulse ganz eindeutig dafür." Ein neues ICE-Instandhaltungswerk in Nürnberg? "Welcher Standort richtig ist, kann ich nicht sagen", sagt Zitzmann. "Aber natürlich bin ich absolut dafür, dass dieses Instandsetzungswerk in unsere Region kommt." Nur ein Großprojekt sieht der IHK-Präsident skeptisch: die von Stadt und Staat politisch befürwortete neue Technische Universität in Nürnberg. "Ich bin gespannt, ob der verfolgte Ansatz einer TU neben der Friedrich-Alexander-Universität und der Technischen Hochschule funktioniert", sagt Zitzmann.

Wirtschaftspolitische Debatten werden seit einem Jahr kaum geführt; Corona überlagert alles, das ist in Nürnberg wie überall im Land. In der mittelfränkischen Wirtschaft fragen sich jedoch viele, wie und wohin sich der in seinem Aufschwung jäh eingebremste Wirtschaftsraum entwickeln wird, wenn das Virus eingedämmt ist. Die in der Region nach wie vor starke Automobilzulieferindustrie kämpft über die Pandemie hinaus mit dem Wandel zu E-Mobilität; viele der Firmen sind noch auf in Zukunft allmählich überflüssige Teile für Verbrennungsmotoren spezialisiert. Schaffen sie den Wandel und mit ihnen die industrienahen Dienstleister? Wird das Messegeschäft in Nürnberg schnell wieder Fahrt aufnehmen? Und kann sich der Nürnberger Flughafen halten?

"Wir brauchen den Dreiklang aus Industrie, Handel, Dienstleistern und dazu gehören auch unsere Hochschulen", sagt Zitzmann. Für besonders wichtig hält er das Auslandsgeschäft. Mittelfränkische Firmen exportieren überproportional und der IHK-Präsident will "nach Corona daran arbeiten, dass wir die wirtschaftlichen Kontakte der Region ins Ausland stärken und ausbauen. Nicht nur in Asien sehe ich da großes Potenzial".

Auch in der eigenen Organisation gibt es viel zu tun. Industrie- und Handelskammern in Deutschland fällt es immer schwerer, ihre Notwendigkeit zu begründen. Die Zahl der Kritiker wächst bundesweit; immer mehr Unternehmer wollen sich mit der gesetzlich verordneten Zwangsmitgliedschaft nicht abfinden und ziehen vor Gericht. In Nürnberg wirken sich die Fliehkräfte noch nicht nennenswert aus. Damit das so bleibt, muss die IHK nach Zitzmanns Vorstellungen so arbeiten, "dass die Mitglieder nicht nur wissen, wofür sie ihren IHK-Beitrag bezahlen, sondern auch, dass sie überzeugt sind, dass das Geld gut investiert ist."

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SZ vom 05.03.2021
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