Süddeutsche Zeitung

Rivalitäten in der CSU:Söders Gipfel der Gemeinheiten

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Im CSU-Vorstand soll Markus Söder einen Wechsel der Landtagspräsidentin nach Berlin ins Spiel gebracht haben. Im Bundeskabinett müsse aus Bayern jemand mit Kaliber sitzen. Ein Lob? Eher eine gezielte Boshaftigkeit.

Glosse von Sebastian Beck

Die CSU-Vorstandssitzung am Montag war insofern interessant, weil der Kanzlerkandidat der Herzen, der Parteivorsitzende der Christlich Sozialen Union, Ministerpräsident des Freistaats Bayern, Träger diverser Orden und Auszeichnungen, Dr. Markus Söder, die Gelegenheit genutzt hat, um den anderen mal ihre relative Größe und Bedeutung vor Augen zu führen.

Bildhaft gesprochen verhalten die sich wie die Zugspitze zum Einödriegel: hier das von ewigem Eise gekrönte, wolkenumrankte Gebirgsmassiv, das eigentlich Dr.-Markus-Söder-Spitze heißen sollte. Dort der vom Borkenkäfer angenagte Fichtenbuckel von gerade mal 1121 Metern Höhe, der den Namen eines jeden CSU-Kabinettsmitglieds tragen könnte: Siblereck, Kaniberriegel, Herrmannskopf, Kleiner Humlstein - alles mehr so Mittelgebirge.

Nach Angaben von Teilnehmern der Sitzung soll Söder gesagt haben, er könne sich nicht vorstellen, dass jemand aus seinem Kabinett auf Platz eins der CSU-Bundestagsliste kandidiere. Die einzige mit großem "Kaliber aus Bayern" sei Ilse Aigner. Um im Bild zu bleiben: Landtagspräsidentin Ilse Aigner ist aus Söders Perspektive natürlich nicht die Zugspitze, aber immerhin ein Wendelstein, der ab und zu mit seinem markanten Gipfel aus dem Bodennebel spitzt. Das Hinterfotzige an Söders Bemerkung ist, dass sie einerseits zutrifft, weil der Ministerrat selten zuvor so konturlos und gefügig war. Andererseits war das Lob im Grunde nur als eine gezielte Boshaftigkeit in Richtung Aigner gemeint. Zumal Finanzminister Albert Füracker - Söders Spezl und immerhin die höchste Erhebung der Oberpfalz - assistierte, Aigner sei eingedenk ihrer öffentlich bekundeten Ambitionen offensichtlich "amtsmüde".

Damit zahlte Söder es Aigner heim, dass sie sich durchaus den Job der ersten bayerischen Ministerpräsidentin zugetraut hätte - falls Söder nach Berlin gegangen wäre. In seinen Augen grenzt so was an Amtsanmaßung, denn eins ist klar: Es kann in Bayern nur eine Zugspitze geben, auch wenn sie - das muss der Wahrheit halber hier hinzugefügt werden - mit 2962 Metern Höhe leider um 38 Meter unterhalb der Dreitausendergrenze bleibt, oberhalb der sich die Welt der wahren Bergriesen auftut.

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Quelle:
SZ vom 05.05.2021
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