Süddeutsche Zeitung

Gesundheit:Zahl der Zecken auf Zehn-Jahres-Hoch

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Von Hans Kratzer, München

Der vergangene Winter war zu mild, das Frühjahr zu warm und zu trocken, und der Sommer ist bis jetzt auch nicht gerade als kühl zu bewerten. Während Feldfrüchte unter diesem Wetter leiden, fühlen sich Schädlinge sehr wohl. Vor allem die Zecken, deren Zahl sprunghaft in die Höhe geschnellt ist. Menschen, die sich oft im Garten aufhalten, berichten von mehr Zeckenbissen denn je. Nur ein beliebiges Beispiel: Aus einer zwölfköpfigen Gruppe, die sich am vergangenen Sonntag ein paar Stunden lang auf einem Wiesengrundstück in Südbayern aufgehalten hatte, stellten sieben Personen am Abend und am folgenden Morgen einen Zeckenbiss fest. Die kleinen Blutsauger warten im Gras, auf Sträuchern und im Unterholz. Streift ein Mensch vorbei, heften sie sich an dessen Kleidung, um von dort aus unbemerkt eine unbedeckte Körperstelle zu suchen und sich dann an der Haut festzusaugen.

"In diesem Jahr ist das Risiko, von einer Zecke gebissen zu werden, insgesamt besonders hoch", sagt Gerhard Dobler vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) in München. "Wir werden die höchste Zahl an Zecken in den letzten zehn Jahren haben." Seit 2009 erforscht der DZIF-Wissenschaftler mit seinem Team das von Zecken übertragene FSME-Virus in Deutschland.

Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME, Zeckenbissfieber) und die mit Antibiotika meistens gut behandelbare Lyme-Borreliose sind die häufigsten von Zecken übertragbaren Infektionen. Die FSME ruft grippeähnliche Symptome hervor. Aber nicht jede infizierte Zecke führt beim Menschen zu einer Infektion. Laut dem Landesamt für Gesundheit kann sich aber in gut zehn Prozent der Fälle eine gefährliche Hirnhaut- und Gehirnentzündung entwickeln. Aufgrund der seit 2001 gültigen Meldepflicht sind für FSME-Erkrankungen genauere Aussagen zu Häufigkeit und Verteilung möglich.

Nachdem im Jahr 2012 mit 195 Fällen im Bundesgebiet (davon 90 in Bayern) die niedrigste Fallzahl seit Einführung der Meldepflicht verzeichnet wurde, stieg sie zwischen 2013 und 2016 wieder an. In Bayern ist seit 2012 eine Zunahme der FSME-Fallzahlen zu beobachten (2012: 90 Fälle, 2013: 177, 2014: 122, 2015: 128, 2016: 159). Im Jahr 2017 wurden in Bayern 234 Erkrankungen verzeichnet, so viele wie noch nie seit der Einführung der Meldepflicht.

Das Robert Koch-Institut in Berlin bewertet die FSME-Risikogebiete in Deutschland alljährlich neu. Demnach zählen in Bayern aktuell 88 der 96 Landkreise und Kreisfreien Städte zu den FSME-Risikogebieten. Dazu gehören auch die Städte Nürnberg, Passau, Regensburg, Würzburg und Bamberg. Neu hinzu gekommen sind die fünf Landkreise Starnberg, München (nicht München Stadt), Günzburg, Weilheim-Schongau und Augsburg (nicht Augsburg Stadt).

Eine wirksame Therapie der FSME gibt es nicht. In Zeckengebieten wird deshalb das Tragen langer Kleidung und der Gebrauch von Insektenabwehrmitteln empfohlen. Das mindert zwar das Risiko von Zeckenstichen, einen sicheren Schutz aber bietet es nicht. Als einzige zuverlässige Schutzmaßnahme gilt die Impfung. Experten weisen darauf hin, dass eine Zecke nach einem Biss so schnell wie möglich entfernt werden sollte, um das Infektionsrisiko zu minimieren.

Auch auf Sport- und Fußballplätzen ist eine Gefahr gegeben. Im Mai wurden bei einer bundesweiten Aktion Fußballplätze auf das Vorkommen von Zecken untersucht. Zwar rangierte Bayern im hinteren Drittel der Bundesländer, ein Grund für eine Entwarnung ist das aber nicht. "Die Ergebnisse verdeutlichen, dass sowohl an den Sportstätten als auch in der oft buschigen Umgebung der Fußballplätze Zecken in einer überraschend hohen Dichte auftreten können", sagt der Zeckenforscher Jochen Süss.

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Quelle:
SZ vom 10.07.2018
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