Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge an der bayerisch-österreichischen Grenze:Deutschland? Ich wollte doch nach Wien

Lesezeit: 1 min

Von Andreas Glas und Paul Munzinger, Passau/München

Er hat gedacht, er sei am Ziel. Die Österreicher haben ihn hergebracht, mit dem Bus aus Spielfeld, das nahe der slowenischen Grenze liegt. Aber jetzt ist da dieses blaue Schild mit den gelben Sternen, auf dem "Bundesrepublik Deutschland" steht, und dieses Schild macht Bassam nervös. "Wie komme ich nach Wien?", fragt er, die Kapuze tief im Gesicht, die Hände in den Manteltaschen.

Es ist Mitternacht, es hat sechs Grad am österreichisch-deutschen Grenzübergang Achleiten bei Passau. Wien? Falsche Richtung. Ob ihn keiner gefragt habe, wo er hin wolle? Nein, Österreichs Polizei habe ihn in den Bus gesetzt, habe gesagt, dass alles okay sei. Und jetzt, sagt Bassam, ein junger Syrer, jetzt sei gar nichts mehr okay.

Immer wieder die Frage: Wo geht es nach Wien?

Seit Tagen schon schäumt die bayerische Staatsregierung, weil Österreich täglich Tausende Flüchtlinge an die bayerisch-österreichische Grenze transportieren lässt. Allein am Montag waren es fast 10 000. Doch offenbar wollen nicht alle nach Deutschland, so wie Bassam. Wer in diesen Tagen an den österreichisch-bayerischen Grenzen unterwegs ist, der hört die Frage immer wieder: Wien? Wo geht es nach Wien?

Auch Innenminister Thomas de Maiziére rügte am Mittwoch das Verhalten Österreichs als "nicht in Ordnung" - und bestätigte, dass das Nachbarland auch solche Flüchtlinge an die deutsche Grenze schaffe, die ausdrücklich in Österreich bleiben wollten. Die Bild-Zeitung hatte von einem Mann aus Syrien berichtet, der österreichischen Grenzbeamten ein Schild gezeigt habe, auf das er "I want have Asyl Austria" geschrieben hatte. Die Beamten weigerten sich aber, seinen Asylantrag anzunehmen. Stattdessen schickten sie ihn zur deutschen Grenze und behaupteten angeblich, dort gehe es nach Wien.

Die Bundespolizei-Zentrale in Potsdam bestätigt diesen Fall, äußert sich aber nicht dazu, wie oft sich Derartiges an der Grenze tatsächlich abspielt. Es scheint sich um Ausnahmen zu handeln. Frank Koller, Sprecher der Bundespolizei in Freyung, schließt nicht aus, dass es vereinzelt Flüchtlinge gebe, die nach ihrer Ankunft nicht genau wüssten, in welchem Land sie sich gerade befinden. In der Regel aber, sagt Koller, ist ihnen "sehr bewusst, dass sie an der Grenze zu Deutschland stehen".

Das Innenministerium in Wien ließ eine Anfrage zu dem Thema unbeantwortet.

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