Flüchtlinge:Bayern: Österreich handelt "skandalös" und "unverantwortlich"

Wien lässt Tausende Flüchtlinge in Bussen an die Grenzen transportieren. Die bayerische Staatsregierung ist empört - und drängt die Bundesregierung, Österreich zum Einlenken zu zwingen.

Von Daniela Kuhr, Wolfgang Wittl und Robert Roßmann, München/Berlin

Angesichts der dramatischen Lage an der bayerisch-österreichischen Grenze werden sich die Spitzen der Koalition am Wochenende zu einem Flüchtlingsgipfel treffen. Das verlautete am Dienstag aus Regierungskreisen. Am Samstag wollen zunächst Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammenkommen, am Sonntag folgt dann ein Treffen der beiden mit SPD-Chef Sigmar Gabriel.

Szenen, wie sie sich in den vergangenen Tagen an der bayerisch-österreichischen Grenze abgespielt hätten, dürften sich keinesfalls wiederholen, hieß es aus der bayerischen Staatsregierung. Der Bund müsse handeln, "und zwar jetzt", das sei eine Frage der Humanität und der Menschenrechte.

Die Bundespolizei war von dem Ansturm völlig überfordert

Allein am Wochenende waren 15 000 Flüchtlinge über Österreich nach Bayern gekommen. Österreichische Behörden hatten sie in Bussen bis kurz vor die Grenze transportieren lassen. Die Bundespolizei, die die Menschen auf deutscher Seite in Empfang nehmen wollte, war von dem Ansturm völlig überfordert. Viele Flüchtlinge, darunter Familien mit kleinen Kindern, mussten stundenlang ohne Versorgung in der Kälte ausharren.

Das Verhalten der österreichischen Regierung sei "unverantwortlich" und "skandalös", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Der Bund müsse das Nachbarland umgehend zum Einlenken zwingen.

Ministerpräsident Seehofer sagte der Passauer Neuen Presse, das Verhalten Österreichs belaste die nachbarschaftlichen Beziehungen. Seehofer erhöhte aber auch seinen Druck auf die Bundesregierung. Bis Allerheiligen werde er noch etliche Gespräche führen, auch mit der Bundeskanzlerin, sagte der CSU-Chef. Danach werde er "beurteilen können, ob Berlin bereit ist, die bayerische Forderung nach einer Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung zu übernehmen". Sollte er keinen Erfolg haben, werde Bayern "überlegen, welche Handlungsoptionen wir haben". Die CSU fordert unter anderem ein klares Bekenntnis der großen Koalition zur Einrichtung von Transitzonen. Diese müssten spätestens am kommenden Wochenende fest zugesagt werden, hieß es.

Merkel mahnt zur Geduld

In Berlin wurde darauf verwiesen, dass das Treffen der drei Parteivorsitzenden schon in der vergangenen Woche vereinbart wurde und keine Folge der aktuellen Drohungen Seehofers sei. Ob sich Seehofer, Merkel und Gabriel bei ihrem Gespräch auf Transitzonen an den Grenzen verständigen können, war am Dienstag wegen erheblicher Vorbehalte der SPD noch unklar. Eine Kompromisslinie wäre, auf die Inhaftierung der Flüchtlinge in den Zonen zu verzichten. Stattdessen könnte der Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz daran geknüpft werden, dass sich die Flüchtlinge in einer solchen Zone registrieren lassen. Dadurch hätten sie einen Anreiz, freiwillig in die Einrichtungen zu kommen.

Merkel mahnte unterdessen erneut zu Geduld. Eine schnelle Lösung sei nicht möglich, sagte die Bundeskanzlerin. In der Flüchtlingskrise lasse sich nicht einfach ein Schalter umlegen, und die Probleme seien weg.

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