Süddeutsche Zeitung

Auto-Zulieferer:Bosch stürzt in die Diesel-Krise

Lesezeit: 3 min

Von Claudia Henzler, Bamberg

Die durch drohende Fahrverbote ausgelöste Diesel-Krise schlägt voll auf die Zulieferbetriebe durch. Stark betroffen ist die Region Bamberg, wo Bosch, der mit Abstand größte Arbeitgeber der Stadt, bisher ausschließlich Teile für Verbrennungsmotoren produziert. Fast die Hälfte der 7500 Mitarbeiter ist direkt vom Diesel abhängig. Die Verunsicherung der Autokäufer hat dort Konsequenzen: 2018 hat der Konzern 200 Arbeitsplätze am Standort abgebaut, indem befristete Verträge nicht verlängert und Mitarbeiter in Altersteilzeit und Vorruhestand geschickt wurden.

Die Belegschaft rechnet im Jahr 2019 mit einem ähnlich hohen Arbeitsplatzabbau und befürchtet, dass es anschließend so weiter gehen könnte. In zehn Jahren, so lautet das Horrorszenario des Betriebsratsvorsitzenden Mario Gutmann, könnten im Bamberger Werk nur noch 5000 Leute arbeiten. "Für Bosch Bamberg und für die Region heißt das Katastrophenzustand."

Der Betriebsrat und die Gewerkschaft IG Metall machen seit Monaten öffentlich Druck, um solch eine Entwicklung zu verhindern. Am Dienstag kam sogar der Bundesvorsitzende Jörg Hofmann nach Bamberg, um mit 350 Gewerkschaftsfunktionären, alles Beschäftigte des dortigen Boschwerks, über dessen Zukunftsperspektive zu diskutieren.

Bislang puffert die Werksleitung den sinkenden Absatz von Diesel-Komponenten durch den Ausfall ganzer Schichten ab. Die Mitarbeiter können das laut dem Betriebsratsvorsitzenden noch ganz gut über ihre Arbeitszeitkonten ausgleichen. Diese seien aus guten Tagen recht ordentlich gefüllt. "Aber wenn die Zeitkonten aufgebraucht sind, haben wir alle ein Problem." Erstmals werde die Produktion während der Osterfeiertage und der folgenden Ferienwoche weitgehend eingestellt. "Drei Viertel der Belegschaft wird über Ostern nicht arbeiten. Das hat es so noch nicht gegeben." Schon jetzt gab es laut Gutmann fast 100 Schließschichten im Jahr 2019.

Nach Angaben von Bosch gibt es noch keinen Plan für Stellenreduzierungen in den kommenden Jahren. 2019 werde es wieder einen Abbau durch Vorruhestandsregelungen und Altersteilzeitverträge geben, teilt die Pressestelle mit. In welchem Umfang, sei aber offen. "Aufgrund der aktuellen unsicheren Marktsituation geben wir keine Prognose für 2019 ab."

Auf die Frage nach der Zukunft des Bamberger Werks heißt es: "Da heute noch offen ist, welcher Antrieb oder welche Kombination von Antriebsarten wann vorherrschen, investiert der Standort sowohl in neue Produkte und Geschäftsfelder, wie die stationäre Brennstoffzelle, als auch in die Weiterentwicklung von Verbrennertechnologie." Die Einspritzsysteme für Benzin- und Diesel sollten "kontinuierlich verbessert" werden. "Bosch ist überzeugt, dass der Diesel beziehungsweise Verbrenner weiterhin wichtig bleibt im Mix der unterschiedlichen Antriebsarten."

Die genannten stationären Brennstoffzellen sind ein erster Versuch, Bamberg aus der völligen Abhängigkeit von der Automobilindustrie zu befreien. Von Mitte 2019 werden die Module, die einmal zur dezentralen Energieversorgung in Rechenzentren, Krankenhäusern oder an Ladesäulen für Elektroautos eingesetzt werden sollen, in Bamberg produzieren. Zum Know-how des Standorts gehört es, hauchdünne Keramikschichten auf Bauteilen aufzubringen. Genau diese Fertigkeiten werden bei der Brennstoffzelle gebraucht. Noch ist das Projekt ein "zartes Pflänzchen", wie IG-Metall-Chef Hofmann am Dienstag vor seinem Besuch im Bamberger Werk lästerte. Die stationären Brennstoffzellen sollen laut Konzern auf 700 Quadratmetern in Kleinserie und vorindustriellem Maßstab gebaut werden. Die Rede ist bisher von 60 Mitarbeitern für diesen Bereich.

Hofmann betonte am Dienstag, dass er Bosch in der Verantwortung sieht, neue Geschäftsfelder in Bamberg zu etablieren und den Mitarbeitern eine Zukunftsperspektive zu bieten. Gleichzeitig forderte er von der Bundespolitik Unterstützung für die anstehende Transformation eines ganzen Industriezweigs, die durch die Elektrifizierung notwendig wird. Er nannte dabei unter anderem subventionierte Kurzarbeitsmodelle, eine längere Bezugsdauer für das Arbeitslosengeldes I und Geld für regionale Strukturpolitik.

Das Problem betrifft in der Region Bamberg nicht allein die 7500 Bosch-Mitarbeiter. Laut IG Metall sind in der Stadt und im Umland, wo auch die Zuliefererfirmen Schaeffler, Brose und FTE ansässig sind, etwa 15 000 Arbeitsplätze von der Automobilindustrie abhängig.

Die Stadt wirbt beim Freistaat um Fördergeld

Vorerst hoffen aber alle Beteiligten, dass die Tage des Diesels noch nicht gezählt sind und sich moderne Motoren wegen ihres vergleichsweise geringen Kohlendioxidausstoßes als Übergangstechnologie durchsetzen. Dann bliebe Zeit, nach tragenden Alternativen für die Produktion in Bamberg zu suchen. Die Stadt will Bosch dabei nach besten Kräften unterstützen, wie der städtische Wirtschaftsreferent Stefan Goller betont. Man stehe schon seit Beginn der Diesel-Krise in engem Kontakt zur Werksleitung.

"Wir wollen ausloten, welche Möglichkeiten es gibt, den Standort weiterzuentwickeln und welche neuen Geschäftsfelder in Bamberg verwirklicht werden könnten", erläutert Goller. Bei der Staatsregierung will die Stadt um Fördergeld werben, um den Technologiewandel finanziell zu unterstützen. Wenn der neue Wirtschaftsstaatssekretär Roland Weigert (Freie Wähler) sich am Mittwoch in Bamberg mit Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) und Landrat Johann Kalb (CSU) trifft, soll es genau darum gehen.

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SZ vom 27.03.2019
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