Süddeutsche Zeitung

Das Koch-Steinbrück-Papier:Torpedos gegen Bayerns Wahlkämpfer

Lesezeit: 3 min

Nach der SPD spürt nun auch die CSU die zerstörerische Kraft ihrer Kollegen aus der Bundespolitik.

K. Stroh, B. Kruse, A. Ramelsberger

Am Montagnachmittag, als CDU-Vize Roland Koch in Keferloh bei München zu Gast war, um die CSU im Wahlkampf zu unterstützen, brachte er ein kaltes Lächeln mit. Ein Lächeln, das vor allem eines bezwecken sollte: wahre Gefühle so charmant und unauffällig wie möglich zu verbergen. Schon beim Eintreffen interessierte sich Koch weniger für die Witzeleien von CSU-Chef Erwin Huber als für die Gewehre der Gebirgsschützen ringsum. Dann hielt er vor 2300 Gästen eine eindrucksvolle Rede und entschwand alsbald wieder mit jenem Lächeln im Gesicht.

Es hatte seinen Grund: Kein Wort sagte Koch in Keferloh zur umstrittenen CSU-Forderung, die Pendlerpauschale wieder einzuführen. Nur einen Tag später aber veröffentlichte er gemeinsam mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) ein Papier, in dem die beiden die Wiedereinführung der Pendlerpauschale kategorisch ablehnen. Finanz-, sozial- und umweltpolitische Überlegungen sprächen gegen die Pauschale; es sei ein Trugschluss anzunehmen, der Staat könne den weltweiten Anstieg der Energiekosten abfedern, am wenigsten durch jene Steuersubvention.

An der CDU-Spitze nach wie vor keine Unterstützung

Ein bundespolitischer Torpedo gegen die weiß-blaue Wahlkampffregatte - da ließ der Protest der CSU nicht lange auf sich warten. Koch und Steinbrück seien lebensfremd, kritisierte Huber, der die Pendlerpauschale seit Monaten als sein Lieblingsthema verfolgt. Zwar war am Mittwoch den diversen Stellungnahmen von CSU-Politikern das Bemühen anzumerken, vor allem Steinbrück ins Visier zu nehmen. Gleichwohl ließ sich das Grundproblem, das die CSU seit Monaten hat, nicht leugnen: An der Spitze der CDU findet sie nach wie vor keine Unterstützung für ihre populäre Forderung.

Genüsslich verbreitete die FDP, Koch habe die CSU-Forderungen "als pure Schaumschlägerei und billige Wahlkampfrhetorik" entlarvt. "Mit ihrer gemeinsamen Absage an den Koalitionspartner machen Koch und Steinbrück deutlich, dass die CSU in Berlin kaum mehr eine Rolle spielt", sagte Grünen-Landeschef Sepp Daxenberger.

Hoffnungsvoll richten sich die Augen der Christsozialen gen Karlsruhe. Am Mittwoch wird das Verfassungsgericht darüber verhandeln, ob die Abschaffung der Pendlerpauschale rechtens war. Ein Urteil wird nicht fallen, wohl aber erhofft sich die CSU aus der Verhandlung argumentative Unterstützung: "Ich gehe davon aus, dass wir dort Rückenwind bekommen werden. Und selbst wenn nicht, werden wir weiter darum kämpfen", sagte Ministerpräsident Günther Beckstein der SZ. Deshalb sei der 10. September "viel wichtiger" als das Papier von Koch und Steinbrück. Die seien im Übrigen schon bei der Erbschaftssteuerreform "zu Ergebnissen gekommen, die für Bayern nicht akzeptabel sind".

Die Verärgerung in der CSU über die harte Haltung der CDU und ihrer Vorsitzenden Angela Merkel lässt sogar den Ruf nach dem Austritt aus der Koalition laut werden - so sagte zum Beispiel Konrad Kobler, Vize des CSU-Arbeitnehmerflügels, wenn Merkel die Pendlerpauschale blockiere, müsse man sich diese Frage allmählich stellen. Huber wies solche Gedankenspiele zurück.

Haderthauer wittert einen "Skandal"

Weil sie aber um die Wirkung bundespolitischer Wahlkampftorpedos weiß, fährt die CSU entsprechende Geschütze nun gegen die SPD in Bayern auf. Es sei ein "Skandal", wetterte CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer, dass die drei bayerischen SPD-Abgeordneten Ludwig Wörner, Adelheid Rupp und Thomas Beyer jenes Papier von 60 SPD-Linken zur Armutsbekämpfung unterschrieben hätten. Es fordert die Abkehr von der Rente mit 67, eine höhere Erbschaftssteuer und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Alles Positionen der Linken, sagte Haderthauer, das Papier sei der erste Schritt hin "zu einem Koalitionsvertrag mit der Linkspartei". Und SPD-Fraktionschef Franz Maget mache sich zum "bayerischen Kurt Beck", wenn er sich davon nicht distanziere.

Nun ärgert Maget durchaus, dass viele nur noch über den Richtungsstreit in der SPD und die Annäherung an die Linke in Hessen sprechen. Er aber sieht keinen Grund für eine Distanzierung, im Gegenteil: Inhaltlich sei das Papier "im Wesentlichen" richtig, sagte Maget, manches stehe auch im Wahlprogramm der Bayern-SPD. "Es ist gut, wenn sich die SPD als Partei definiert, die die Augen vor der Armut nicht verschließt", sagte Maget. Man müsse nur den Eindruck vermeiden, in der SPD werde gestritten. Im Übrigen habe ihm Haderthauer ein Kompliment gemacht: Beck sei seit langem Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz; und das werde er bald in Bayern sein.

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SZ vom 4.9.2008/ihe
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