Süddeutsche Zeitung

Gesundheit:Warum die Helfer in Corona-Gefahr sind

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In Bayern haben sich mehr als 3000 Personen, die als Ärzte oder Pflegepersonal arbeiten, mit Sars-CoV-2 infiziert. Ein Grund dafür könnte fehlende Schutzkleidung sein.

Von Dietrich Mittler und Reiko Pinkert, München

In Lobreden werden Ärzte, ihr medizinisches Personal sowie auch die Pflegekräfte im ambulanten und stationären Bereich - und nicht zu vergessen, die Mitarbeiter in Bayerns Behinderteneinrichtungen - derzeit oft für ihren Einsatz gepriesen. Wie gefährlich deren Arbeit angesichts der Corona-Pandemie tatsächlich ist, zeigt diese Zahl, die das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) bekannt gab: Demnach sind dem Landesamt gut 3070 gemeldete Fälle bekannt, in denen sich im medizinischen, im pflegerischen und im Behindertenbereich tätige Personen mit dem Erreger Sars-Cov-2 angesteckt haben.

Wie das LGL dem Recherchenetz der Süddeutschen Zeitung, des Norddeutschen Rundfunks und des Westdeutschen Rundfunks auf Nachfrage andeutete, ist gar von einer höheren Zahl auszugehen. Zur Fragestellung lägen "keine vollständigen, flächendeckenden Zahlen" vor. Das liege auch daran, dass das Landesamt "zu lokalen Ausbruchsgeschehen in Pflegeheimen und Krankenhäusern" von den betroffenen Gesundheitsämtern nur "in Einzelfällen" Kenntnis erhalte - etwa bei "größeren Ausbrüchen".

Auch sei oft nicht angegeben, ob der oder die Infizierte in einer medizinischen Einrichtung tätig ist. Aus dem Gesundheitsministerium hieß es, es habe "derzeit keine konkreten Daten vorliegen, denen zufolge der Corona-Infektionsstand bei Ärzten und medizinischem Personal in Bayern besonders hoch ist". Allerdings gehe es hierbei um ein wichtiges Thema. "Deshalb ist es unser Ziel, möglichst rasch die notwendigen Informationen zu bekommen", erklärte ein Sprecher.

Nach Kenntnis der Bayerischen Landesärztekammer kam es unter Bayerns Ärzten und deren Mitarbeitern auch zu sehr schweren Krankheitsverläufen, wie der Tod des renommierten Rehaklinikchefs Hannes Schedel zeigt. Vor etwas mehr als zwei Wochen war der 59-Jährige im Klinikum Passau an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben. Die Schedel-Klinik gilt als eine der größten onkologischen Rehakliniken im Freistaat.

Ärztekammer-Präsident Gerald Quitterer überrascht es nicht, dass in Bayern viele im medizinisch-pflegerischen Bereich Tätige an Covid-19 erkrankt sind. Dass aber ihre Zahl im Freistaat offenbar gleich so hoch sei, erstaune ihn schon. "Wir haben in Bayern eine gewaltige Infektwelle bewältigen müssen, noch dazu mit vielen Hotspots", sagte Quitterer. Zum hohen Infektionsrisiko habe aber auch "gerade zu Beginn dieser Infektwelle der Mangel an Schutzausrüstung" beigetragen.

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) hatte schon zu Beginn der Corona-Krise auf den Mangel an Schutzmasken und Schutzkleidung in den Praxen hingewiesen. Angesichts der hohen Anzahl an Infizierten aus dem Kreis der Ärzte, Pflegekräfte und der medizinischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sagte KVB-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Krombholz: "Der eklatante Mangel an Schutzausrüstung hat sich gerade in den ersten Wochen der schnell steigenden Neuinfektionen mit dem Coronavirus für die Ärzte und die Teams in den Praxen schmerzlich bemerkbar gemacht." Das habe sich auch in landesweit rund 160 Praxisschließungen niedergeschlagen. Diese hätten folglich "für die Regelversorgung ihrer Patienten nicht mehr zur Verfügung" gestanden. Letztlich sei es dem Einsatz der KVB zu verdanken, "dass mittlerweile durch Eigenbeschaffungen alle Arztpraxen mit direktem Patientenkontakt zumindest mit einer Basisausstattung" beliefert werden konnten. "Und das, obwohl dies im Pandemiefall eigentlich den Bundesbehörden obliegt", sagte Krombholz.

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SZ vom 30.04.2020
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