Süddeutsche Zeitung

Bahnverkehr in Bayern:Der beschwerliche Weg zum Brennerbasistunnel

Lesezeit: 3 min

Seit Jahren stemmen sich in Bayern Kritiker gegen das milliardenteure Schienenprojekt, dessen Planung nahezu abgeschlossen ist. Nun haben auch die betroffenen Kommunen ihre Kernforderungen für das weitere Verfahren formuliert.

Von Matthias Köpf, Rosenheim

Die Bürger und Kommunen zwischen Grafing und Kiefersfelden sollten sich in die Planung zweier zusätzlicher Gleise Richtung Brenner einbringen können, so hieß es vor fast zehn Jahren von der Deutschen Bahn. Das Verfahren dazu hatten die Bahn-Planer von ihren österreichischen Kollegen übernommen, die zu der Zeit längst ein drittes und viertes Gleis zum Brennerbasistunnel im Inntal vergraben hatten, ohne dass es dagegen größeren Widerstand gegeben hätte. In Bayern war es mit dem Konsens jedoch schlagartig vorbei, als die Planer erste Striche auf der Landkarte zogen.

Allein im Landkreis Rosenheim stemmen sich seither fast 20 lokale Bürgerinitiativen und der Bund Naturschutz gegen die inzwischen nahezu fertige Planung. Rechtzeitig zum Jahreswechsel haben auch die betroffenen Kommunen ihre Kernforderungen für das weitere Verfahren formuliert. Billiger wird das Milliardenprojekt dadurch sicher nicht, aber am liebsten würden sie es ohnehin verhindern.

Dabei hatten sich die Bahn und der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) schon 2021 auf eine Trasse festgelegt, die allein auf ihren 54 Kilometern durch den Landkreis Rosenheim zu zwei Dritteln unter Tage verlaufen sollte. Der hohe Tunnelanteil ließ die Kostenschätzung schon damals auf sieben Milliarden Euro steigen, bei denen es nach aller Erfahrung kaum bleiben wird. Zumal die staatlichen Raumordner in der Regierung von Oberbayern den Planern aufgetragen haben, auch den Inn möglichst zweimal zu unterqueren, statt in beiden Fällen deutlich billigere Brücken zu bauen.

Im Süden haben die Planer diese Maßgabe erfüllt. Dort soll die neue Hochleistungstrasse erst zwischen Flintsbach und Oberaudorf wieder an die Oberfläche kommen und sich dann mit den beiden bestehenden Gleisen verflechten, die durch die Orte auf der linken Innseite verlaufen und in Zukunft mehr Kapazitäten für den Nahverkehr haben könnten. Zwar soll diese viele Hundert Meter lange Verknüpfungsstelle direkt neben der A 93 liegen. Doch auch dort, an der ohnehin engsten Stelle des bayerische Inntals, kostet sie viel landwirtschaftliche Fläche. Die Gemeinden im Inntal fordern deswegen schon lange, auch die Verknüpfungsstelle im Tunnel verschwinden zu lassen - konkret im Wildbarren, einem Bergstock der das Tal im Westen begrenzt.

Bahn und Bund lehnen diese mit einem extremen Aufwand verbundene Lösung ab und stützen sich dabei auf Studien, wonach eine unterirdische Verknüpfungsstelle nicht mit den gängigen Regularien für einen sicheren Bahnbetrieb zu vereinbaren sei. Dem haben sieben bayerische und drei Tiroler Inntalgemeinden mittlerweile eine Untersuchung entgegengestellt, in dem drei Ingenieurbüros aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu dem Schluss kommen, dass unterirdische Verknüpfungsstellen unter bestimmten Umständen doch genehmigungsfähig sein können. Genau darauf stützen sich die Inntalgemeinden jetzt in ihren Kernforderungen, die sie zu dem Großprojekt an den Bundestag richten.

Der Brennerbasistunnel könnte 2032 in Betrieb gehen

Bis Ende Januar haben die Kommunen Zeit, dem Eisenbahnbundesamt solche Forderungen zu benennen. Den Bundestag werden die vermutlich erst 2025 erreichen, wenn die Abgeordneten endgültig darüber abstimmen werden, ob Deutschland die beiden zusätzlichen Gleise zum Brennerbasistunnel wirklich bauen wird, so wie es die Bundesregierung den Österreichern schon im Jahr 2012 per Staatsvertrag zugesichert hat. Die Österreicher und die Italiener treiben unterdessen weiter den von der EU maßgeblich mitfinanzierten Brennerbasistunnel unter dem Alpenhauptkamm hindurch. In Betrieb gehen könnte er nach aktuellem Stand 2032.

Einen neuen Brenner-Nordzulauf wird es auf bayerischer Seite bis dahin noch längst nicht geben, doch die Kapazität der beiden bestehenden Gleise wird auch nach Bahn-Angaben noch eine Weile ausreichen. Die versammelten Bürgerinitiativen bestreiten ohnehin, dass der geplante Neubau jemals nötig werden wird und schlagen stattdessen einen stufenweisen Ausbau der Bestandsstrecke vor. Der sichere Nachweis, dass die neue Trasse gebraucht wird, gehört ebenfalls zu den Kernforderungen aus den Kommunen.

Die Stadt Rosenheim, die auf der neuen Trasse in einer weiten Schleife nordöstlich umfahren werden soll, hat weniger grundsätzliche Einwände gegen die Pläne als ihr stärker betroffenes Umland. Rosenheim könnte durch die neue Hochleistungstrasse viel Güterzugverkehr aus der Stadt bekommen, will aber zugleich nicht vom schnellen Personenverkehr zwischen München, Innsbruck und Verona abgehängt werden. Nördlich der Stadt sollen die Gleise aus Sicht der Rosenheimer Stadträte den Inn aber unbedingt ebenfalls unterqueren, statt wie geplant über eine lange Brücke zu führen. "Eine andere Planung kann nicht hingenommen werden."

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