Süddeutsche Zeitung

Bilanz des CSU-Parteitags in Nürnberg:Vorsicht statt Aufbruch

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Die CSU zwingt sich zur Vernunft: Die Delegierten haben sich weder getraut, den Rebellen Gauweiler zum Vize zu wählen noch die eurokritischen Aussagen der jüngsten Zeit zu wiederholen. In Nürnberg zeigt sich aber vor allem eines: Die einst so selbstbewusste Partei ist durch die Krise in Europa extrem verunsichert.

Stefan Braun

Den Leitantrag zu Europa einstimmig angenommen, den Parteivorsitzenden Horst Seehofer mit fast 90 Prozent wiedergewählt und den Euro-Skeptiker Peter Gauweiler auf Distanz gehalten - die CSU-Führung wird wahrscheinlich auch den Parteitag in Nürnberg mit dem Gefühl verlassen, es sei selbst in diesen Zeiten alles wie immer: nämlich in Ordnung. Die CSU funktioniert, die CSU regiert, die CSU muss sich vor nichts und erst recht nicht vor einem Peter Gauweiler fürchten.

Doch so sehr das der CSU-Spitze gefallen hätte - dieser Parteitag hat eine ganz andere Botschaft. Es ist nicht mehr richtig zu glauben, das Leben, auch das in und mit der CSU, gehe einfach so weiter. Tatsache ist, dass das Treffen von Nürnberg eine Begegnung mit der Sorge und der Ängstlichkeit einer Volkspartei wurde. Die CSU hat nicht ihre Muskeln gezeigt, sondern eine Furcht und eine Vorsicht, wie sie diese Partei selten erlebt hat.

Die Schuldenkrise in Europa ist nicht nur eine Krise mehr in der Geschichte. Das Jonglieren mit gigantischen Milliardensummen, die dadurch nicht schwindende, sondern wachsende Angst um den Euro und das Gefühl, in solchen Zeiten keine falsche Bewegung machen zu dürfen - all das hat den Parteitag mehr geprägt als alles andere.

Das zeigte sich in der Euro-Debatte ebenso wie beim Ergebnis für Peter Gauweiler. Auch wenn sich nach zweieinhalb Stunden Diskussion über die Schuldenkrise alle gegenseitig für die vermeintlich großartige Aussprache gelobt haben - eine echte Aussprache ist es gar nicht gewesen. Stattdessen waren zwei Dutzend Redner bemüht, so viel Lobendes über den Euro und Europa zu sagen, dass selbst der einzige echte Gegenredner, eben Peter Gauweiler, am Ende auf eine wirklich scharfe Replik verzichtete.

Am Ende hat die Disziplin gesiegt

Das war kein echtes Hin und Her der Argumente. Das war der mühsame Versuch, die eigenen Bauchgefühle im Zaum zu halten. Die nämlich sagen bei vielen, dass sie allergrößte Bedenken bei der Euro-Rettung haben. Nur sagen wollte das hier außer Gauweiler keiner. Aus dem zuletzt lauten Ruf "Bis hierhin und nicht weiter!" des Parteichefs ist in Nürnberg ein "Wir sind im Herzen doch Europäer" geworden. Das ist keine Kehrtwende. Aber es ist ein klares Zeichen, wie sehr die Courage gefehlt hat, wirklich auszusprechen, wie groß die Zweifel sind und wie groß die Ängste.

Dem ist am Ende auch Peter Gauweiler zum Opfer gefallen. Zu Beginn des Parteitags dürfte eine Mehrheit mit seiner Wahl zum Parteivize gerechnet haben. Am Ende hat die Disziplin gesiegt und das Bedürfnis, keine falschen, keine zu europakritischen Signale zu senden. Früher hätte sich die CSU nach Querdenkern gesehnt. Nun hat sie nicht den Mut gehabt, ihm einen prominenteren Platz einzuräumen.

Dabei ist die Kampfabstimmung zwischen Gauweiler und Verkehrsminister Peter Ramsauer das ehrlichste am ganzen Parteitag gewesen. 440 Stimmen für Ramsauer, 419 für Gauweiler. Knapper geht es kaum mehr, und deutlicher lässt sich die Spaltung nicht dokumentieren. Für Gauweiler könnte es der letzte Versuch gewesen sein, in seiner Partei noch einmal Karriere zu machen.

Für die CSU war Nürnberg ein neues Erlebnis: In der Euro-Krise stößt die einst so selbstbewusste Partei an ihre Grenzen. Sie kann nicht richtig rebellisch sein und hat doch auch keine richtig überzeugende Antwort auf die Probleme. Es ist nicht wirklich viel schief gegangen in Nürnberg. Aber es ist in Nürnberg auch nichts Neues erwachsen. Das wird die CSU nicht stärker machen.

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