Die Strauß-CSU fährt vor. Rechts aus der Limousine steigt Wilfried Scharnagl aus, der Journalist war der Chefeinflüsterer von Franz Josef Strauß. Links steigt Peter Gauweiler aus, er war Strauß' bester Schüler. Scharnagl und Gauweiler, zwei alte starke Männer der CSU. Dass die beiden noch einmal einen Parteitag der CSU aufmischen würden?

Die alte Zeit weht noch einmal an diesem Wochenende durch das Nürnberger Messe-Zentrum, wo die CSU am Freitag zum Parteitag zusammengekommen ist. Es geht um die Europapolitik, um die Zukunft des Euro. Und, glaubt man Gauweiler, dann geht es auch um die Zukunft der CSU. Gauweiler sieht seine Partei in Gefahr und will sie retten. Deshalb wettert er seit Wochen gegen die milde Europapolitik von Kanzlerin Angela Merkel, der auch seine CSU zugestimmt hat. Deshalb will er an diesem Samstag auch Stellvertreter von Parteichef Horst Seehofer werden. Er, der ewige Außenseiter, will jetzt angreifen.
Die CSU ist tief zerrissen, nicht nur was die Europapolitik angeht, aber bei diesem Thema ganz besonders. Mehrere Spitzentreffen hat es gebraucht, um einen Leitantrag zu entwerfen, der es sowohl den Europabefürwortern wie auch den -gegnern recht machen soll. Es ist ein Bekenntnis zu Europa und eine Warnung an Schuldenländer, dass sie notfalls aus der Eurozone austreten müssen. Parteichef Horst Seehofer spürt, wie an der Basis der Rückhalt für die EU schwindet, wie die Skepsis wächst, dass die Schuldenkrise einiger Mitgliedsländer doch noch in den Griff zu bekommen ist.
Gauweiler gibt diesen Kritikern an diesem Wochenende eine Stimme. Im Moment aber nur eine ganz leise: Er ist heiser, so stark erkältet, dass seine Stimme fast völlig weg ist, bis er auf dem Weg zum Saal gefühlten 100 Journalisten und genauso vielen Delegierten erklärt hat, dass er ein gutes Gefühl habe bei seiner Kampfkandidatur gegen Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer um einen Partei-Vizeposten. Gauweiler gibt sich sanft, bis ihm dann mit einem Strauß-Zitat doch etwas Klartext entrutscht: "Auf dem Schlachtfeld gibt es gelegentlich Verletzte."
Mit ihm - und das wäre die Botschaft, falls er an diesem Samstag zu einem der vier Stellvertreter von Seehofer gewählt würde -, entfernt sich die Partei von der europäischen Idee. Das will Seehofer nicht: "Das Koordinatensystem der CSU wird sich nicht verändern", sagt er. "Wir bleiben eine Partei Europas." Er geht mit Strauß gegen den Strauß-Schüler vor: "Bayern ist unsere Heimat, Deutschland unser Vaterland, Europa unsere Zukunft." Es ist ein Plädoyer für Europa, das Seehofer hält. Ein flammendes sogar.
Und nicht nur er macht sich für Europa stark. Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt wirbt für die Union, viele andere auch. An diesem Freitag, an dem auch Kanzlerin Merkel am Abend noch erwartet wird, soll bloß nicht der Eindruck aufkommen, die CSU habe das europäische Projekt aufgegeben. Deshalb tritt auch Theo Waigel noch einmal ans Pult, der gegen größte Widerstände in seiner Partei den Euro überhaupt durchsetzen musste: "Die Menschen sind verunsichert, sie sind verängstigt", sagt der frühere Parteichef und Finanzminister. "In dieser Situation nimmt die Neigung zu einfachen Lösungen zu, aber einfache Lösungen gibt es nicht." Waigel geht weit zurück in der Geschichte und erinnert an Kriege in Europa. "Ich möchte in keiner anderen Zeit leben als in dieser", sagt er und bekommt spontanen Beifall.
Am Ende der Debatte zweifelt keiner daran, dass der Europa-Leitantrag mit großer Mehrheit durchgeht. Aber dieser Freitag ist nur die halbe Wahrheit. Auf diesem Parteitag stimmt die CSU noch ein zweites Mal über die Europapolitik ab: Am Samstag, bei der Wahl der Stellvertreter, wenn sich Gauweiler, der Euro-Skeptiker bewirbt. Gauweiler kommt an bei den Leuten. "Die Bayern lieben Rebellen", sagt der Europapolitiker Bernd Posselt. Gauweiler zieht die volle Aufmerksamkeit bei seiner Ankunft auf sich. Ein Delegierter, der mit Gauweiler für die CSU im Bundestag sitzt, staunt, wie sich die Kameras auf ihn ausrichten, egal wohin er geht. "Peter hält Hof", sagt er spitz. "In Berlin bekommt er sonst nicht so viel Aufmerksamkeit."