Süddeutsche Zeitung

Landespolitik:Der unscheinbare Grandseigneur

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Bayerns früherer Ministerpräsident Günther Beckstein feiert seinen 80. Geburtstag. In Erinnerung bleibt der engagierte Christ aber vor allem als streitbarer Innenpolitiker der CSU.

Er war über viele Jahre der Lieblingsfeind der Linken in Bayern und darüber hinaus. Wenn Innenminister Günther Beckstein mit leicht schnarrender Stimme bei vielerlei Gelegenheiten "härtere Strafen" forderte, dann kam er ganz als der CSU-Hardliner rüber. Waren die Mikros und Kameras aus, dann zeigte sich Beckstein von einer anderen Seite: Feinfühlig, selbstironisch und ausgestattet mit Humor. Er brachte das Kunststück fertig, selbst in teuren Anzügen irgendwie verstrubbelt zu wirken, auch im größten und vielleicht tragischsten Moment seiner Karriere, als er am 9. Oktober 2007 als bayerischer Ministerpräsident vereidigt wurde.

Gerade mal ein Jahr konnte er sich damals als Nachfolger von Edmund Stoiber im Amt halten. Doch selbst wenn man seine glücklose Zeit an der Regierungsspitze einrechnet, zählt Günther Beckstein zu den herausragenden Figuren der Landespolitik. Im Gegensatz zu anderen CSU-Größen wirkt Beckstein aber bescheiden, fast schon unscheinbar. Aufhebens um seine Person liegt ihm nicht. An diesem Donnerstag feiert Beckstein, der in Nürnberg-Langwasser lebt, seinen 80. Geburtstag.

Er blickt auf eine jahrzehntelange Karriere in Politik und der evangelischen Kirche zurück. Zusammen mit Parteifreunden wie Edmund Stoiber, Otto Wiesheu oder Kurt Faltlhauser zählt Beckstein zu jener Politikergeneration, die 1974 in den Landtag einzog und das politische Bayern prägen sollte, wie kaum eine davor. Nach einer erfolglosen OB-Kandidatur in Nürnberg 1987 trat Beckstein ein Jahr später in die Staatsregierung ein. Erst war er Staatssekretär, von 1993 bis 2007 Innenminister. Ein Rekord, den inzwischen sein Nachfolger Joachim Herrmann überboten hat.

In dieser Funktion machte er sich schnell auch bundesweit einen Namen als Edmund Stoibers harter Hund. Beckstein wehrte sich nie gegen dieses Etikett. "Ich war lieber Hardliner für Recht und Ordnung. Es wäre für mich furchtbar gewesen, wenn ich als Weichei für Unrecht und Unordnung gegolten hätte", sagte Beckstein einmal im Rückblick. Sein Kurs in der Asylpolitik verlangte ihm einen Spagat zwischen politischer und christlicher Überzeugung ab.

Sein bekanntester Fall von Abschiebung, der auch international für Aufsehen sorgte, dürfte der von "Mehmet" gewesen sein: ein jugendlicher Straftäter, gebürtiger Münchner mit türkischem Pass, der bis zu seinem 14. Lebensjahr mehr als 60 Straftaten begangen hatte. Als er 1998 strafmündig wurde, wurde er auf Becksteins Veranlassung nach einem erneuten Vergehen in die Türkei abgeschoben. "Mehmet" warf Beckstein Jahre später vor, sein Leben zerstört zu haben. Beckstein sagte dazu: "Als evangelischer Christ ist mir der Schutz von unschuldigen Bürgern wichtiger als der Resozialisierungswunsch eines Serienstraftäters." Durch die aktuelle Asyldebatte fühlt er sich ein wenig bestätigt: "Von allen Parteien werden heute Dinge gesagt, für die ich damals fürchterlich ausgeschimpft wurde."

Sein Blick zurück ist ohne jeden Groll. "Ich würde den Weg sofort wieder gehen", sagt Beckstein. Auch wenn er an die Grenze seiner Gesundheit gegangen sei und mehrere Hörstürze zu einer Hörbehinderung führten, die er heute mithilfe moderner Medizintechnik ausgleicht. "Ich höre besser als der Durchschnitt der gleichaltrigen Männer", sagt Beckstein.

Auch im fortgeschrittenen Alter nimmt er noch an Vorstandssitzungen seiner Partei teil - in der Regel aber ohne sich zu Wort zu melden, wie er sagt. "Die Ratschläge des Vorgängers werden mehr als Schläge denn als Rat empfunden", sagt er schmunzelnd. Ministerpräsident Markus Söder betont dagegen: "Seine Stimme hat weiterhin Gewicht, sein Rat und seine Meinung sind auch heute noch gefragt und geachtet." Er sei mit Beckstein "bis heute eng verbunden" und schätze den Austausch mit ihm.

Langweilig ist es dem Jubilar nicht: Gemeinsam mit Ehefrau Marga kümmert er sich um die Enkelkinder, er reist viel und führt noch immer politische Gespräche in anderen Ländern, zuletzt in Bosnien, bald in Kuba. Noch heute sitzt Beckstein in Aufsichtsräten oder in Gremien von Stiftungen. Beckstein ist nach eigenem Bekunden froh um das Erlebte, aber beneide keineswegs die aktuelle Politikergeneration. "Die aktiven Politiker stehen vor Herausforderungen, die jene aus meiner Zeit bei Weitem übersteigen", betont er. Die Vielzahl an Krisen, die Komplexität der globalisierten Welt habe zugenommen.

Auch die Gefahr des Populismus sieht Beckstein. "Die Grenze ist erreicht, wenn man dem Volk nach dem Mund redet", sagt er, betont aber auch: "Die Demokratie sehe ich nicht in echter Gefahr." Alle gesellschaftlichen Kräfte, nicht nur die Politik, müssten aktiv mehr für die Demokratie tun. Für die derzeit negative Grundstimmung in Deutschland hat er eine demografische Erklärung: "Eine alternde Gesellschaft wird insgesamt pessimistischer."

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