Süddeutsche Zeitung

Schneizlreuth:Streit um geplantes Wasserkraftwerk

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Von Matthias Köpf, Schneizlreuth

Immer wieder berührt das Paddel den steinigen Grund, selbst mitten im Hauptstrom des Flusses. 23 Kubikmeter Wasser pro Sekunde führt die Saalach laut dem Pegel Unterjettenberg an diesem regnerischen Herbsttag. Im Jahresmittel seien es 37, sagt Jörg Hackinger, während er das Kanu an der nächsten Kiesbank vorbei steuert. Als Wildwasserfahrer war er auf fast allen Kontinenten unterwegs, doch die Saalach ist sein Revier, sie fließt fast vor seiner Haustür in Unken vorbei und bildet dann bis kurz vor Schneizlreuth die Grenze zwischen Österreich und Bayern.

Dass der Fluss wegen des geplanten Kraftwerks im schlimmsten Fall nur 6,1 Kubikmeter Wasser pro Sekunde führen könnte, wollen sich Wassersportler wie Jörg Hackinger gar nicht vorstellen, genau wie das halbe Dutzend Rafting-Anbieter und sämtliche Naturschutzverbände und Fischereivereine beiderseits der Grenze.

Die Sorgen der Paddler und Fischer könne er ja noch ernst nehmen, sagt Johann Abfalter ein paar Stunden später, aber alle anderen hätten da gerade nur über Kleinigkeiten geredet. Abfalter macht auch sonst in Wasser, das er aus allerlei Sonnen-, Mond- und Lichtquellen abfüllen lässt und mit viel Erfolg über Getränkemärkte, Bioläden und Reformhäuser verkauft. Er ist nach eigenen Angaben als Financier des Projekts eingesprungen, nachdem eine Bank abgesprungen war.

Ungefähr 40 Schneizlreuther hatten sich in Abfalters Hotel Mauthäusl versammelt und ihre Kritik vorgebracht wegen möglichen Wassers in ihren Kellern, wegen der Baustraße durch Naturschutzflächen oder wegen der hemdsärmeligen Art beim Grundstückskauf. Denn das Stauwehr soll zwar bei Unken im Land Salzburg entstehen, doch das Wasser soll in einem sechs Kilometer langen Tunnel durch das Achhorn über die Grenze fließen, ehe es bei Schneizlreuth über 32 Meter durch zwei Turbinen wieder in die Saalach stürzt.

Solche Ausleitungskraftwerke stoßen bei Naturschützen und Fischern seit langem auf heftige Kritik, die auch in diesem Fall besonders auf die Restwassermenge im Flussbett zielt. Das Wasser werde auf sieben Flusskilometern weder zum Kajakfahren reichen noch als Lebensraum für die Fische, lautet ihre Befürchtung. Dem widerspricht der frühere Salzburger Bürgermeister Josef Reschen, der das 50-Millionen-Projekt vorantreibt.

An erster Stelle stehe "die Einhaltung höchster ökologischer Standards", beteuert Reschen

Die Paddler würden am Wehr eine Rutsche bekommen, die "das Highlight der Strecke" werde, Niedrigwasser herrsche auch natürlicherweise häufiger und zudem werde, abhängig von der Gesamtmenge, fast immer mehr Wasser im Fluss bleiben als 6,1 Kubikmeter. An erster Stelle stehe "die Einhaltung höchster ökologischer Standards", beteuert Reschen und spielt selbst die Öko-Karte: Besseren Klimaschutz als Wasserkraft gebe es nicht, das Werk werde Strom für 19 000 E-Autos oder 13 000 Drei-Personen-Haushalte und mithin fast den halben Landkreis Berchtesgadener Land erzeugen.

Landrat Georg Grabner (CSU), ein sehr genehmigungsfreudiger Mann, dem aber oft die Gerichte in die Parade fahren, setzt sich für das Kraftwerk ein, die Gemeinde Schneizlreuth und Bürgermeister Wolfgang Simon kämpfen dagegen. Ihr zentrales Argument ist ihr Trinkwasserbrunnen, aber sie haben Reschen ihren eigenen Gutachter empfohlen, der dann die Unbedenklichkeit des Kraftwerks unterstrich. Simon bleibt kritisch. "Ich traue den handelnden Personen einfach nicht", sagt er. Reschen hält dagegen: "Gehen Sie ins Rathaus und schauen Sie sich die Unterlagen an", empfiehlt er an dem Abend immer wieder, am Ende sogar dem Bürgermeister. Der will bald seine Stellungnahme abgeben. Entschieden wird in Salzburg und im Landratsamt in Bad Reichenhall.

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Quelle:
SZ vom 10.10.2019
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