Süddeutsche Zeitung

CSU-Parteitag:Eine Obergrenze für den Chef

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Söders Hang zur finanziellen Symbolpolitik liegt seiner Partei schwer im Magen, auch wenn sie in den Umfragen führt. Jetzt hat die CSU ihn sanft aber bestimmt ausgebremst.

Kommentar von Andreas Glas

Es ist schon wieder passiert. Ein Begriff, bei dem man nicht unbedingt an Politik denkt, hat es in die politische Debatte geschafft: die Orgie. Erst moserte die Kanzlerin über "Öffnungsdiskussionsorgien", jetzt warnt der CSU-Landtagsabgeordnete Alexander König vor "Geldverteilungsorgien" in der Corona-Krise. Man braucht keine Fantasie, um den Adressaten seiner Warnung zu erraten: Markus Söder, CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident. Die Warnung ist kein Misstrauensvotum gegen den Chef, beileibe nicht. Die CSU ist eine Partei, die ihren Anführern fast blind folgt, solange die Umfragewerte stimmen. Und trotzdem, nach Wochen des stillen Gehorsams führt die CSU ihrem Chef die Hand an die Bremse. Sanft, aber mit klarer Botschaft: Ein Parteichef darf nicht grenzenlos an seiner Partei vorbeiregieren.

Zu Beginn der Krise hatte es eine beruhigende Wirkung, wenn Söder sein Whatever-it-takes-Mantra aufsagte - und fast täglich neue, immer teurere Staatshilfen verkündete. Doch je öfter er sein Mantra wiederholte, desto mehr klang das in den Ohren einiger CSUler nicht mehr nach "Alles, was nötig ist", sondern nach: "Koste es, was es wolle!" Es ist jedenfalls kein Zufall, dass nun im Leitantrag, den die CSU ihren Parteitagsdelegierten vorgelegt hat, dieses Wort steht: Obergrenze. Das Wort hat Geschichte in der CSU, nur geht es diesmal nicht darum, die Aufnahme von Flüchtlingen zu deckeln - sondern die Staatsverschuldung, die Söder zuletzt kräftig mitangeschoben hat. Das war richtig und wichtig, das weiß auch jeder in der CSU. Doch eine Partei, zu deren Markenkern ein dicker Geldbeutel gehört, kann das auf Dauer nicht kaltlassen.

Nicht erst seit ein paar Tagen hat es deshalb rumort in der Partei, auch in der CSU-Landtagsfraktion, die sich zunehmend übergangen fühlte von ihrem Chef, der im Krisenmodus immer öfter und selbständiger zum Geldbeutel griff. Dass Söder neulich auch noch Reisegutscheine für Inlandsurlauber ins Spiel brachte, war offenbar der eine Griff zu viel. Auch für die Junge Union in Bayern, die jetzt von Söder hören will, wie er denn gedenkt, die Schulden zügig zu tilgen.

Söder und der Geldbeutel, auch das hat ja eine Geschichte. Schon der aktuelle bayerische Haushalt musste aus Rücklagen ausgeglichen werden, nachdem Söder im Landtagswahlkampf 2018 teure Geschenke verteilt hatte: Familiengeld, Landespflegegeld, Baukindergeld. Das roch nach Symbolpolitik, und nach Symbolpolitik riechen für manchen in der Partei nun auch Ideen wie die Reisegutscheine. So darf man dann wohl auch den Abgeordneten König verstehen, wenn er sagt: Wirtschaft ankurbeln ja, aber eben keine "Geldverteilungsorgien".

Man darf das alles nicht überinterpretieren. Niemand in der CSU kann ernsthaftes Interesse daran haben, einen Parteichef zu beschädigen, der sich im Umfragehöhenflug befindet. Dass es der Begriff "Obergrenze" für Schulden in den CSU-Leitantrag geschafft hat, ist aber ein Indiz dafür, dass die Bauchschmerzen wegen der Geldbeutelpolitik des CSU-Chefs tiefer in die Magengrube der Partei vorgedrungen sind. Es ist ja so: Wenn Schuldenpolitik überdreht, muss die Allgemeinheit büßen. Es kann also nicht schaden, wenn die CSU dem Chef auch mal zeigt, dass seine Entscheidungsfreiheit zwar groß, aber nicht grenzenlos ist.

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Quelle:
SZ vom 23.05.2020
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