Süddeutsche Zeitung

Bayerischer Landtag:CSU und SPD verlieren im Parlament an Einfluss

Lesezeit: 3 min

Von Lisa Schnell und Wolfgang Wittl, München

Es ist gut fünf Jahre her, dass ein CSU-Ministerpräsident an diesem Ort in die Augen eines anderen Parteimannes blicken musste: Damals war es Horst Seehofer, der mit Martin Zeil (FDP) die Regierung geführt hat. Auch Markus Söder und Hubert Aiwanger behalten das Prinzip bei, dass sich der Ministerpräsident und sein Stellvertreter in der Staatskanzlei gegenüber sitzen, die Sitzordnung ist protokollarisch exakt festgelegt. Knapp eine Stunde dauert am Dienstag die erste Kabinettssitzung der Koalition von CSU und Freien Wählern, dann ist sie schon wieder vorbei.

Sehr konstruktiv und harmonisch sei das Treffen verlaufen, in dem es vor allem ums bessere Kennenlernen ging. Alle seien neugierig aufeinander, "ein richtig guter Start" sei das gewesen, berichtet ein Kabinettsmitglied. Mancher wird sich an seinen Sitznachbarn trotzdem erst gewöhnen müssen.

Finanzminister Albert Füracker etwa, der schweigsame Oberpfälzer, neben Hubert Aiwanger, dem personifizierten Mitteilungsorgan der Freien Wähler - das könnte spannend werden. Michaela Kaniber wiederum sitzt jetzt zwischen Roland Weigert und Thorsten Glauber. Die Landwirtschaftsministerin der CSU zwischen zwei Freien Wählern? Da könnte man glatt von artfremder Haltung sprechen.

Einen Monat nach der Landtagswahl biegt die Landespolitik in den Arbeitsmodus ein. Nach der Kabinettsbildung geht es nun um den Zuschnitt der Ausschüsse und den Zugriff auf die jeweiligen Vorsitze. Vier Parteien saßen im letzten Landtag, jetzt sind es sechs - das verändert die Statik erheblich. Die Verteilungskämpfe werden noch intensiver geführt, auch um die internen Posten.

Die CSU wählt an diesem Mittwoch ihre drei stellvertretenden Fraktionschefs, das Tableau ist nach dem Verlust mehrerer Kabinettsposten prominent besetzt. Dem Vernehmen nach interessieren sich fünf Bewerber: die Ex-Minister Marcel Huber und Winfried Bausback, die ehemaligen Staatssekretäre Josef Zellmeier und Johannes Hintersberger sowie der derzeitige Fraktionsvize Alexander König. Die Gespräche dauerten am Dienstag noch an, vermutlich kommt noch eine Frau hinzu.

In der CSU rechnet man mit einem "Hauen und Stechen", das am Montag seine Fortsetzung finden dürfte. Dann stehen die Besetzungen der Ausschüsse und Arbeitskreise an, es wird mehr Kandidaten geben als freie Plätze. Zumal nicht sicher ist, wie es mit den Beauftragten der Staatsregierung weitergeht. Die Freien Wähler hatten dagegen geklagt, sie witterten eine Art "Nebenregierung".

Im Koalitionsvertrag legten CSU und FW fest, die Beauftragten müssten in eine "gesetzliche Regelung überführt" werden. Ihre Anzahl könnte dann unberührt bleiben. Trotzdem warten beide Fraktionen auf ein verlässliches Signal von Söder und Aiwanger. Denn wer sein Amt als Beauftragter verliert, kandidiert vielleicht für andere Posten. Oder umgekehrt.

Gravierend fallen auch die Änderungen in der Parlamentsarbeit aus. 13 Ausschüsse gab es in der zurückliegenden Legislatur, in sämtlichen 13 stellte die CSU entweder den Vorsitzenden oder den Stellvertreter. Künftig wird die CSU in zwei Ausschüssen gar keine Führungsposition mehr inne haben. In diesen soll dann der Regierungspartner Freie Wähler das Vakuum füllen. Offen sind Anzahl und Zuschnitte der Ausschüsse. Wird für jedes Ministerium ein Pendant nachgebildet? Gibt es bald mehr Ausschüsse? Welche Themen werden getrennt?

Die Zuständigkeit für Bauen, Wohnen und Verkehr etwa könnte - analog zum Ministerium - aus dem Wirtschaftsausschuss in ein eigenes Gremium wandern. Aber braucht es einen neuen Digitalisierungsausschuss? Über all das wird in den Fraktionen und dann übergreifend beraten. Fest steht, dass hochkarätige Ausschussvorsitzende ausgeschieden sind: Peter Winter (Haushalt), Erwin Huber (Wirtschaft), Joachim Unterländer (Soziales, alle CSU), Franz Schindler (Verfassung), Kathrin Sonnenholzner (Gesundheit), Martin Güll (Bildung, alle SPD) sowie der Grüne Christian Magerl (Umwelt).

Acht Ausschussvorsitzende stellte die CSU zuletzt, die SPD drei, Grüne und Freie Wähler jeweils einen. Auch das wird sich ändern. Der CSU stehen nur noch sechs Vorsitze zu, Grünen und Freien Wählern jeweils zwei, AfD, SPD und FDP je einer. Sollte es einen 14. Ausschuss geben, bekämen die Grünen einen dritten Vorsitz. Auch das Zugriffsrecht wird durcheinandergewirbelt.

Anders als zuletzt kann die CSU nur den ersten Vorsitz für sich reklamieren. Das dürfte der wichtige Haushaltsausschuss sein. Danach sind bereits die Grünen dran, mutmaßlich mit großem Interesse am Innenausschuss - eigentlich eine CSU-Domäne. Als Vorsitzender wird der frühere Fraktionschef Martin Runge gehandelt, der 19 Jahre im Landtag sitzt und bereits den Europaausschuss geleitet hat. Als drittes ist wieder die CSU an der Reihe, der Stellvertreter steht der AfD zu.

Ihren ersten Zugriff auf einen Vorsitz hat die AfD auf Platz fünf, manche ihrer Abgeordneten könnten sich Landwirtschaft oder Soziales vorstellen, etwa für den früheren SPD-Mann Roland Magerl. Im Sozialausschuss war jedoch auch die Integration angesiedelt - schwer vorstellbar, dass andere Fraktionen diese unter Aufsicht eines AfD-Mannes stellen wollen. Vielleicht geht die Integration daher in den Innenausschuss, wie schon beim Ministerium. Auch den Verfassungsausschuss würden andere Parteien ungern unter der Hoheit eines AfD-Politikers sehen.

Die SPD kommt erst an sechster Position zum Zug: Bildung oder Soziales, das wären klassische sozialdemokratische Gebiete. Die FDP darf bei Platz zehn zugreifen. "Wir werden nehmen müssen, was übrig bleibt", sagt Fraktionschef Martin Hagen. Digitales oder Bauen wären interessant, als Kandidat gilt Sebastian Körber.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2018
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