Süddeutsche Zeitung

Mitten in Schönau:Mehr Kunstschnee für die Dänen

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Weil die Betreiber der Jennerbahn bei Berchtesgaden nicht mehr alle Pisten mit Schneekanonen beschneien wollen, schießt jetzt die Gemeinde Schönau am Königssee 300 000 Euro zu. Denn grüne Pisten hätten die ganzen Dänen ja selber.

Glosse von Matthias Köpf, Schönau am Königssee

Warum jetzt ausgerechnet so viele Dänen zum Skifahren an den Jenner nach Schönau am Königssee kommen? Schließlich haben die daheim in Dänemark ja selber ein paar Pisten, in einer Gesamtlänge von mehreren Hundert Metern, die meisten sogar wettergeschützt in irgendwelchen Hallen und damit endgültig sicher vor jeglichem Naturschnee. Und am "CopenHill", dem schrägen, mit grünen Kunststoffmatten ausgelegten Dach einer Müllverbrennungsanlage in Kopenhagen, geht es immerhin 75 Höhenmeter abwärts. Trotzdem kann man die ganzen Dänen doch jetzt nicht hängen lassen an der praktisch noch nagelneuen Jennerbahn.

Deren Betreiberfirma will nicht mehr alle Pisten am Jenner beschneien, weil sie damit draufzahlt und das Geld doch viel dringender zum Abzahlen ihrer 2019 eröffneten neuen Bahn braucht. 57 Millionen Euro hat die gekostet, aber wenigstens die 10,5 Millionen Förderung vom Freistaat müssen nicht zurückgezahlt werden. Von den Fahrgästen kommen inzwischen aber auch im Winter die wenigsten zum Skifahren, weshalb die Bergbahn nicht mehr so viel Geld in Form von Strom und Diesel in Schneekanonen und Pistenbullys pumpen will. Deswegen möchte sie nur noch das Kinderland ganz unten, eine einsame Piste an der Mittelstation und die neue Rodelbahn beschneien, plus den Trainingsstützpunkt des Deutschen Skiverbands, wozu sie langfristig verpflichtet ist.

Im Berchtesgadener Talkessel kratzt die Sache eh schon am Selbstbild als eine Art Watzmann des Wintersports. Und was sollen die Dänen denken? Das fragt man sich im Schönauer Rathaus. Denn neben Einheimischen machen auf den steilen und engen Pisten am Jenner eben die Dänen einen Großteil der Skifahrer aus, und als solche würde man sie gerne weiterhin im Weißen begrüßen in Schönau und seinen Hotels und Ferienwohnungen. Also speist die Gemeinde die Schneekanonen für die Talabfahrt jetzt mit 300 000 Euro aus eigener Kasse - einem Vielfachen der bisherigen Summe, aber vorerst nur für diese Saison, danach sollen sich die örtlichen Gastgeber zur Hälfte am Zuschuss beteiligen. "Ich gratuliere der Gemeinde, dass sie diese 300 000 Euro verbrennen kann, um einen kommunalen Skibetrieb aufrecht zu erhalten", lässt sich dazu ein Sprecher des örtlichen Bundes Naturschutz bitter zitieren. So ist es wohl mit dem Geldverbrennen gegen die Klimakrise: Oft genug heizt es sie am Ende nur an.

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