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CSU-Parteitag:Söder kann sich einen Dämpfer leisten, im Gegensatz zu Kramp-Karrenbauer

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Der CSU-Chef ist mit dem Kern seiner Parteireform gescheitert. Dennoch ist er fast unangefochten - anders als seine Kollegin von der CDU. Für Kramp-Karrenbauer steht auf dem Parteitag im November die Kanzlerkandidatur auf dem Spiel.

Kommentar von Nico Fried

CDU und CSU haben sich unter ihren neuen Vorsitzenden zuletzt in bemerkenswerter Gegensätzlichkeit entwickelt. Die CDU veranstaltete nach Angela Merkels Ankündigung, die Parteiführung abzugeben, eine Kandidatenschau, die weithin als edel im Umgang und demokratisch vorbildlich wahrgenommen wurde. Doch mittlerweile hat sich herausgestellt, dass der Sieg Annegret Kramp-Karrenbauers nicht der Abschluss, sondern erst der Anfang einer Auseinandersetzung über den künftigen Kurs der CDU war, die an Härte zunehmen wird, je mehr Kramp-Karrenbauers Popularität abnimmt. Der Ausgang ist inhaltlich wie personell völlig offen.

In der CSU dagegen erfolgte der Wechsel in einem aufreibenden Zermürbungskampf, an dessen Ende sich Markus Söder mit seinem unbedingten Willen zur Macht durchsetzte. Dem formalen Vollzug des Führungswechsels konnte die nötige Würde seinerzeit nur durch ein Höchstmaß an Heuchelei und Selbstverleugnung der beteiligten Personen verliehen werden. Seither aber reihen sich die Christsozialen hinter Söder ein, der seine Spitzenposition in einer Mischung aus politischem Instinkt, substanziellem Opportunismus, gewohnter Entschlossenheit und ungewohnter Freundlichkeit abgesichert hat. Söder führt die CSU inzwischen ziemlich unangefochten.

Völlig unangefochten? Nein, das nicht. Auf dem Parteitag in München hat Söder eine erste schwere Niederlage kassiert. Die Delegierten, männlich wie weiblich, zerpflückten die vom Parteichef betriebene Ausweitung der Frauenquote in einer geradezu eruptiven Diskussion. Damit scheiterte nicht nur ein Kern seiner Parteireform. Auch Söders Stil, politische Konkurrenz gleichzeitig zu bekämpfen und zu kopieren, stieß an seine Grenze: Die CSU-Basis folgte Söder frenetisch, als er Bevormundung durch die Grünen beklagte - aber sie wollte nicht verstehen, warum sie dann selbst bevormundet werden sollte. Söder, der politisch wie persönlich so sehr darauf achtet, wie etwas öffentlich ankommt, kennt die Signalwirkung dieser Entscheidung gerade in den Milieus, die er für die CSU gewinnen wollte. Da kann ihn auch nur wenig trösten, dass nun bei der Basis die Bringschuld liegt, die 80-Prozent-Männer-Partei CSU für Frauen attraktiver zu machen.

Söder inszenierte sich im letzten Moment noch als Brückenbauer

Es gibt an dieser Schlappe Söders nichts schönzureden. Der Wut nach zu urteilen, die während der Parteitagsdebatte allmählich bis knapp unter seinen Haaransatz emporstieg, weiß der CSU-Chef das selbst ganz genau. Besonders schmerzhaft ist für ihn, dass er mit der Frauenquote ein Thema versemmelt hat, bei dem sein Vorgänger Horst Seehofer eine ähnlich kontroverse Debatte 2010 gewinnen konnte. Seehofer, der Söder immer verhindern wollte, war dem Parteitag ferngeblieben. Er dürfte im Stillen genossen haben.

Dennoch unterstreicht die Quoten-Debatte auch, wie stark Söders Position trotzdem ist. Diese Niederlage hat ihn nicht wirklich geschwächt, zumal er sich im letzten Moment noch als Brückenbauer inszenierte. Söder kann sich so einen Dämpfer leisten. Das genau unterscheidet ihn von Annegret Kramp-Karrenbauer. Für sie stehen auf dem CDU-Parteitag im November in jeder wichtigen Abstimmung immer gleich ihre Autorität und letztlich die Kanzlerkandidatur auf dem Spiel. Ein Tagesordnungspunkt wird voraussichtlich die Frauenquote sein.

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Quelle:
SZ vom 21.10.2019
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