Süddeutsche Zeitung

Politik in Bayern:Von wegen Kulturstaat

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In Corona-Zeiten geht es dahin mit Theater und Kino in Bayern. Das liegt wohl auch daran, dass sich im Kabinett kein wahrer Kunstliebhaber findet.

Glosse von Katja Auer

Bayern und die schönen Künste, das ist eine ganz natürliche Verbindung. Albrecht Dürer und Lucas Cranach stammen aus Franken, Franz Marc und Wassily Kandinsky habe sich vom Blauen Land inspirieren lassen. Richard Strauss und Carl Orff komponierten in Bayern, die Werke von Augsburgs Sohn Bertolt Brecht gehören zum deutschen Literaturkanon. Die Bamberger Symphoniker sind weltweit bekannt, Bildhauer Fritz Koenig gehörte zu den berühmtesten seiner Zeit.

Und die Oberen haben die Kultur stets nach Kräften gefördert. Die Markgräfin Wilhelmine machte aus Bayreuth im 18. Jahrhundert einen Hotspot von Kunst und Kultur. König Ludwig I. holte berühmte Architekten nach Bayern, er ließ Museen errichten, sammelte Kunst und institutionalisierte die Denkmalpflege. Sein Nachfolger Maximilian II. förderte Theater und Literatur und der "Märchenkönig" Ludwig II. gilt mit seiner Schwärmerei für Richard Wagner und seinem Schlösserwahn ohnehin als Inbegriff des kunstverliebten Monarchen.

Auch in späteren Staatsregierungen fand sich immer einer, der sich besonders einsetzte für die Kultur. Der frühere Finanzminister und oberste Schlösserverwalter Kurt Faltlhauser rückte trotz schwarzer Null gern immer wieder was raus für die Kultur, der einstige Kunstminister Wolfgang Heubisch von der FDP ließ sich mit überzeugendem Vergnügen in Opern und Museen blicken. Noch früher brachte es Hans Zehetmair, dem die FAZ einmal den Charme eines "Viehhändlers" attestierte, zu einem der bedeutendsten Kunstminister der jüngeren Geschichte. Er rettete die Pinakothek der Moderne, als er versprach, zehn Prozent der Kosten von Spendern einzusammeln - und es schaffte. Sein Vorgänger Hans Maier gilt ohnehin als kunstsinnig und ging - fast 90-jährig - in Corona-Zeiten sogar mit auf die Straße, um für die Kultur zu demonstrieren.

Das war nötig, weil es die Kultur von Anbeginn der Corona-Krise besonders schwer hat in Bayern. Wahrscheinlich auch deswegen, weil sie keinen echten Verfechter hat im Kabinett. Von Ministerpräsident Markus Söder weiß man, dass er "Star Wars" mag und den Club, hat ihn aber selten von einem besonderen Opernabend schwärmen hören. Ebenso wenig seinen Stellvertreter Hubert Aiwanger, dem eher die Wirtshauskultur liegt. Und der Kunstminister selbst ist ein Leichtgewicht, sodass von ihm kaum eine Meuterei für die Kultur zu erwarten ist. Schade eigentlich. Aber vielleicht hätte noch mal jemand von den Vorgängern Zeit für eine Kulturmeuterei?

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