Süddeutsche Zeitung

Umgang mit der NS-Vergangenheit:Streit um Kriegsverbrecher-Grab geht weiter

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Das Grabkreuz für den NS-Generaloberst Alfred Jodl auf Frauenchiemsee stößt seit vielen Jahren auf Kritik. Doch auch der Bundestag und der Landtag haben gerade wieder nur auf die Gemeinde Chiemsee und ein Gerichtsurteil verwiesen.

Von Matthias Köpf, Chiemsee

Die leicht trapezförmige und nur zwei oder drei Zentimeter dicke Steinplatte könnte selbst als Symbol stehen für eine bestimmte Art des Umgangs mit der deutschen NS-Vergangenheit. "Familie Jodl" steht auf der Platte, die seit einigen Jahren andere Angaben verdeckt. Denn darunter sind in das große, steinerne Grabkreuz der Name des Kriegsverbrechers Alfred Jodl eingemeißelt und dessen letzter Dienstgrad als Generaloberst in Hitlers Wehrmacht. Die Platte sollte die jahrelangen Debatten über das Grabmal beenden, aber jemandem wie Bernadette Gottschalk, deren Familienmitglieder in Auschwitz ermordet wurden, lässt bloßes Verdecken keine Ruhe, und sie selbst mag keine Ruhe geben. Gerade haben der Bundestag und der Bayerische Landtag wieder zwei ihrer Petitionen zu dem Thema mit respektvollen Worten bedacht, um sie dann notgedrungen als erledigt zu den Akten zu legen.

Er teile ihre Auffassung, dass der Stein "als Huldigung dieses NS-Kriegsverbrechers empfunden werden kann und damit geeignet ist, die Gefühle der Opfer des Holocausts sowie ihrer Nachfahren zu verletzen", hat der Petitionsausschuss des Bundestags Gottschalk Anfang Februar mitgeteilt. Zugleich bestehe die Gefahr, "dass sich rechtsextreme Kreise durch das Vorhandensein derartiger Grab- und Gedenksteine bestärkt fühlen". Allerdings sei der Bundestag für den Friedhof auf der Fraueninsel nicht zuständig, sondern allein die Insel-Gemeinde Chiemsee. Ähnliches hat der Innenausschuss des Landtags vor einigen Tagen zum wiederholten Mal bekundet.

Begraben ist Alfred Jodl auf dem sonst sehr idyllischen Friedhof der Fraueninsel nicht, denn seine Asche wurde nach seiner Hinrichtung als Kriegsverbrecher in einem Seitenarm der Isar verstreut. Unter anderem mit dieser Begründung hatte sich die Gemeinde lange Zeit nur widerwillig und unter größerem öffentlichen Druck mit dem Thema befassen wollen. Dann hatte sie aber beschlossen, das Nutzungsrecht für die Grabstelle auslaufen zu lassen und nicht zu verlängern. Doch die Nachfahren einer von Jodls Ehefrauen erklagten sich die Verlängerung 2019 vor Gericht und ließen später die Steinplatte anbringen. Die Gemeinde müht sich seit Jahren mit einem kommunalen Denkmalkonzept, das auch eine Tafel am Friedhof vorsehen soll - voraussichtlich mit einer kurzen Erläuterung zum Jodl-Grab wie zu vielen anderen Gräbern auch.

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