Süddeutsche Zeitung

Corona in Bayern:Freie Wähler betrachten Bundesnotbremse als "Affront"

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Während die CSU einheitliche Regeln "absolut richtig" findet und auch ihre Unterstützung im Bundesrat signalisiert hat, fühlt sich der Koalitionspartner übergangen.

Von Anna Günther und Johann Osel, München

Trotz harscher Kritik der Freien Wähler setzt der Freistaat auf die Corona-Notbremse des Bundes. Das Vorgehen, das einheitliche Regeln bei Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 vorsieht, sei "absolut richtig", sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) nach dem Kabinett am Dienstag. Zuvor hatte sich die Bundesregierung darauf verständigt, diese Notbremse auf den Weg zu bringen.

Ministerpräsident Markus Söder, der diesmal nicht die Pressekonferenz bestritt, hatte kürzlich die volle Unterstützung Bayerns für eine Abstimmung im Bundesrat signalisiert - ohne zuvor mit seinem Koalitionspartner FW zu beraten. Daraufhin hatten Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und Fraktionschef Florian Streibl (beide FW) klar gestellt, sie hielten gar nichts davon, "Kompetenzen aus Bayern zum Bund zu verlagern".

Herrmann sagte am Dienstag auf Nachfragen, es werde stets ein "möglichst einheitliches Vorgehen eingefordert". Er sehe die Bundesnotbremse auch nicht "als totales Aushebeln der Kompetenzordnung von Bund und Ländern". Bevor das Gesetzgebungsverfahren des Bundes in den Bundesrat komme, werde man festlegen, wie sich Bayern verhalte. Es handele sich um "kein Zustimmungs-, sondern ein Einspruchsgesetz".

Die CSU wolle keinen Einspruch, würde man sich mit den FW auf Enthaltung im Bundesrat einigen, habe dies "letztlich keine Wirkung". Kultusminister Michael Piazolo (FW) sagte, die Bundesnotbremse sei "nicht das große Thema im Ministerrat" gewesen. Es sei "kein Geheimnis, dass wir die Regelungen des Bundes kritisch sehen".

Keineswegs beruhigt hat sich die Fraktion der FW. Streibl teilte am Dienstag mit, die Änderung sei "nicht nur ein Affront gegen die Landesparlamente, sondern auch ein Rückschritt in der Pandemiebekämpfung". Man habe ja Verständnis für die CSU, angesichts der Berliner Koalition und der Wahl im Herbst müsse sie sich "Wünschen aus Berlin stärker beugen", sagte Fabian Mehring, der parlamentarische Geschäftsführer. Jedoch: "Ob Impfdesaster, Testdebakel oder das Chaos um die Osterruhe: Keine politische Ebene hat im Kampf gegen Corona mehr Fehler gemacht als der Bund. Durch dieses Berliner Versagen ist viel Vertrauen verloren gegangen."

Im Gesetzesentwurf des Bundes ist vorgesehen, bei einer Inzidenz über 200 Schulen zu schließen und Präsenzunterricht zu verbieten. Für Abschlussklassen soll dies nicht gelten, aber Elft- und Viertklässler, die in Bayern seit Montag zur Ausnahme zählen, müssten in den Distanzunterricht. Davon hält Piazolo nichts: "Wir wollen die Schulen gerade durch Testen und Impfen weiter offen halten." Das sei wichtig für die Abschlussjahrgänge, die bald Prüfungen schreiben, und für alle anderen: "Soziale Kontakte sind wichtig und viele Schüler leiden unter den fehlenden Kontakten."

Betroffen wären von der 200er-Regel am Dienstag 21 Regionen im Freistaat, 89 Landkreise liegen über 100. Tendenz steigend. In Regionen über 100 bieten Kitas nur Notbetreuung an, damit dies ein Not-Angebot bleibt und nicht trotzdem alle Kinder kommen, bezahlen Staatsregierung und Kommunen auch in April und Mai die Elternbeiträge für jene Eltern, die ihre Kinder daheim behalten.

An den Schulen ändert sich wenig: Unter 100 gehen alle Jahrgänge in den Wechselunterricht, über 100 gilt Distanzunterricht. Nur die Abschlussklassen, Elft- und Viertklässler dürfen in die Schule. Für alle Schüler, Lehrer und Mitarbeiter gilt die Testpflicht, in den Schulen, in der Not- und der Mittagsbetreuung sowie im Hort. Nach Protesten dagegen ist das verpflichtende Testen in den Schulen aus Piazolos Sicht in dieser Woche gut angelaufen und werde sich weiter einspielen.

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SZ vom 14.04.2021
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