Süddeutsche Zeitung

Barbara Stamm wird 70:Das Feierbiest der CSU

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Bei Festen gehört sie zu den letzten Gästen, für die CSU ist sie das soziale Gewissen und bei den Bürgern die beliebteste Politikerin: Landtagspräsidentin Barbara Stamm feiert ihren 70. Geburtstag.

Von Katja Auer und Frank Müller, Würzburg

Wie Barbara Stamm das eigentlich immer so schafft, das gehört zu den noch ungelösten Rätseln der bayerischen Landespolitik. "Sie geht bei Veranstaltungen nicht, wenn sie nicht die Letzte oder Vorletzte ist. Dann setzt sie sich daheim noch hin und erledigt die Post", hat ihr Ehemann Ludwig in einem Interview zu ihrem 65. Geburtstag gesagt. Barbara Stamm gehört bei Festen und Empfängen oft zu denen, die das Licht ausmachen. Zwei, drei Stunden Schlaf, dann geht es wieder weiter. "Manchmal rätsle ich auch, wie sie das durchsteht", sagte Ludwig Stamm.

Das ist fünf Jahre her, an diesem Mittwoch feiert Barbara Stamm ihren 70. Geburtstag. Ihr Arbeitspensum ist nicht auffallend weniger geworden. Und ihre Feierlaune auch nicht. Am Donnerstag lädt sie Freunde und Weggefährten zu einem großen Fest nach Würzburg ein. Der Ministerpräsident ist als Gratulant angekündigt, eine Showband spielt und der Fürther Kabarettist Volker Heißmann führt durch den Abend. Nächste Woche gibt es noch einen Empfang im Landtag.

Geschenke wünscht sich Stamm nicht, stattdessen Spenden für die Lebenshilfe. Deren Vorsitzende ist sie seit 13 Jahren und ihr Engagement für Menschen mit Behinderungen ist ihr ein Herzensanliegen. Auch ihr politisches Leben ist vom Einsatz für sozial Schwache geprägt, in der CSU wird sie deswegen gerne als das soziale Gewissen der Partei bezeichnet. Sie wuchs im Heim und in einer Pflegefamilie auf, wurde Erzieherin und kam durch ihren Mann schließlich zur Politik. Der hat das zwar später manchmal beinahe bereut, weil er seine Frau von da an nur noch selten zu Gesicht bekam, ihre Karriere aber ging weiter.

1972 zog sie für die CSU in den Würzburger Stadtrat ein und musste sich von da an lange anhören, dass sich eine Frau lieber um ihre Kinder kümmern sollte. 1976 wurde sie zum ersten Mal in den Landtag gewählt, seitdem erzielt sie über die Unterfranken-Liste regelmäßig Spitzenergebnisse.

Ein besonderer Triumph

Franz Josef Strauß holte sie 1987 als Sozialstaatssekretärin ins Kabinett, Edmund Stoiber machte sie 1994 zur Ministerin. Und drängte sie 2001 während der BSE-Krise wieder zum Rücktritt. Ein Schritt, der sie heute noch schmerzt, auch wenn sie mit Niederlagen zu leben gelernt hat. In ihrer Partei kommt nicht jeder mit ihrer oft sehr emotionalen Art zurecht und so hat sie häufig Querschüsse aus den eigenen Reihen erlebt. Dass sie doch Parlamentspräsidentin wurde, obwohl sogenannte Parteifreunde ihre Krebserkrankung öffentlich machten, war für sie ein besonderer Triumph. Die Krankheit hat sie mittlerweile überwunden. Noch mehr freut es sie, wenn sie wieder einmal zur beliebtesten Politikerin Bayerns gewählt wird. Das passiert regelmäßig - dann landet sie vor Horst Seehofer.

Der schätzt sie als eine, die selbst in Krisensituationen noch versöhnliche Auswege finden kann. Es war kein Zufall, dass Stamm mit am Tisch saß, als Seehofer und sein Dauerclinchpartner Markus Söder nach der legendären CSU-Weihnachtsfeier von 2012 eine Aussprache bitter nötig hatten. Seehofer war auch damals über Söder hergezogen, und eine kleine Runde sollte einen Ausweg aus diesem Crash finden - in solchen Situationen hat Stamms Wort und ihre mütterlich-emotionale Seite viel Gewicht in der CSU. Deswegen hatte Seehofer sie gebeten, noch einmal zur Wahl anzutreten. Und ebenso, noch einmal als Parteivize zu kandidieren. Sie ist eine, die sich einschaltet, wenn es ihr zu viel wird, und die dann deutlich werden kann.

Ins Schlingern geraten

Umso schwieriger war die Lage für sie, als sie mitten im vergangenen Landtagswahlkampf selbst in die Krise geriet. Während im Land um die Mandate gekämpft wurde, kochte im Parlament die Verwandtenaffäre hoch. Die teils skandalösen, teils lässlichen Details um Abgeordnete, die Familienangehörige beschäftigten und andere Vorteile für sich nutzten, brachten die Präsidentin ins Straucheln. Sie stellte sich schützend vor "ihre" Abgeordneten - das entsprach ihrem Naturell. Gleichzeitig musste sie auch den Landtag vor Schaden bewahren, das verlangt ihr Amt. So fiel sie in einen Schlingerkurs, war mal Verteidigerin, mal Chefaufklärerin. Im eigenen Apparat und in der CSU-Fraktion wurde die Kritik unüberhörbar.

Zum Geburtstag wird die längst verstummt sein. Seehofer nennt Barbara Stamm eine "leidenschaftliche Mitgestalterin Bayerns und Politikerin mit Herz". Und die Narren vom Fernseh-Frankenfasching in Veitshöchheim werden sich bestimmt auch eine besondere Gratulation einfallen lassen. Seit Jahren ist Barbara Stamm dort die unumstrittene Faschingskönigin, die alljährlich die vielfachen Huldigungen entgegennimmt. Bis sie dann am Ende, ganz am Ende, das Licht ausmacht.

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Quelle:
SZ vom 29.10.2014
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