Süddeutsche Zeitung

Elektroauto Porsche P1:Wie frisch aus der Zeitkapsel

Lesezeit: 3 min

Als die Autos fahren lernten, war keineswegs klar, dass sie mit Benzin betrieben würden. Auch Elektrofahrzeuge kämpften um eine Zukunftschance. Mit dem Porsche P1 ist nun eines der ersten E-Mobile wieder aufgetaucht.

Von Jürgen Wolff

Kein Problem mit Feinstaub. Keine Stickoxide. Kein Smog. Es hätte alles so schön sauber zugehen können in den vergangenen mehr als hundert Jahren Automobilgeschichte. Denn als die Kutschen Ende des 19. Jahrhunderts begannen, ohne Pferde zu fahren, knatterten und dampften die aufkommenden Automobile nicht nur, viele von ihnen standen auch unter Strom. Bevor der Verbrennungsmotor mit tatkräftiger Unterstützung der Ölindustrie den Sieg im Kampf der Motorenkonzepte davontrug, gab es durchaus auch Elektroantriebe. Und die waren zum Teil erstaunlich weit entwickelt.

Eines der ersten ist nun im Stuttgarter Porsche-Museum zu sehen: Einer von vier jemals gebauten "Egger-Lohner-Elektromobil Modell C.2 Phaeton", kurz "P1" getauft, an dessen Entwicklung Ferdinand Porsche entscheidenden Anteil hatte.

Porsches Karrierestart in Wien

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich Ferdinand Porsche mit der Konstruktion von Kraftfahrzeugen beschäftigt. Der 1875 als Sohn eines Spenglermeisters im nordböhmischen Maffersdorf geborene Porsche war 1893 zunächst nach Wien gegangen, um als Gasthörer an der Technischen Hochschule theoretische Kenntnisse zu erwerben und bei der Elektrotechnikfirma "Béla Egger & Co." als Praktikant anzufangen. In nur vier Jahren stieg er dort zum Leiter der "Probierabteilung" auf und kam dabei mit dem Wiener Kutschfabrikanten Ludwig Lohner in Kontakt, der von einem eigenen elektrisch angetriebenen Automobil träumte.

Lohner hatte erkannt, dass sich das Zeitalter der Pferdes und luxuriösen Kutschen dem Ende zuneigte und suchte nach einer zukunftsfähigen Alternative für sein Unternehmen. Die sah er in der Produktion von Benzin- und Elektrofahrzeugen. Vor allem in den elektrifizierten Kutschen vermutete er großes Potenzial. Diese, so glaubte er, würden wegen ihrer geringen Lärm- und Abgasbelästigung von der Bevölkerung eher akzeptiert. Die elektrischen Komponenten orderte er bei Porsches - inzwischen in "Vereinigte Elektrizitäts-AG" umgetauftem - Arbeitgeber. Chassis und Karosserie entstanden in Lohners eigenem Unternehmen in der Wiener Porzellangasse.

Elektroauto nach Porsches Vorstellungen

Das erste, unter der Mitarbeit von Ferdinand Porsche entwickelte Lohner-Elektromobil wurde 1898 auf einer Ausstellung des gerade gegründeten "Österreichischen Automobil-Clubs" gezeigt. Der Elektromotor war quer zwischen den Vorderrädern eingebaut, gelenkt wurde mit den Hinterrädern. Das Konzept wurde aber schnell wieder verworfen und ein neuer Elektrowagen ganz nach den Vorstellungen Porsches entwickelt.

Das Ergebnis der Denkarbeit rollte erstmals am 26. Juni 1898 als "Egger-Lohner-Elektromobil C.2" über Wiens Straßen und verfügte über eine Vorderachslenkung sowie einen 130 Kilogramm schweren Elektromotor im Heck. Ferdinand Porsche selbst hatte seinen Urheberschaft daran auf eigene Weise dokumentiert: In alle wichtigen Bauteile schlug er das Kürzel "P1" (P für Porsche) ein, das dem Elektroauto seinen inoffiziellen Namen gab.

Hightech anno 1898

Als Antriebsquelle nutzte Porsche schon damals seinen selbstkonstruierten Oktagon-Motor. Dessen Name stammt von seinem geschlossenen achteckigen Gehäuse. Um ihn vor Beschädigungen zu schützen, war er stoßgedämpft und um die Wagenachse pendelnd aufgehängt. Die Leistung des Elektromotors betrug drei PS bei 350 Umdrehungen in der Minute. Wie bei modernen Elektromotoren war über einen Booster kurzfristig auch eine Leistungsabgabe von fünf PS möglich, womit 35 km/h Höchstgeschwindigkeit erreicht werden konnten. Zur Kraftübertragung nutzte der Wagen ein einstufiges Differential-Getriebe mit einem Übersetzungsverhältnis von 1:6,5, das über Zahnkränze auf die innenverzahnten Radnaben wirkte.

Die Fahrgeschwindigkeit konnte über einen Regler in zwölf Stufen eingestellt werden: Es gab sechs Vorwärts- und zwei Rückwärtsgänge sowie vier Bremsstufen. Die Gesamtreichweite des Gefährts betrug dank des etw eine halbe Tonne schweren "Tudor"-Akkumulators mit seinen 44 Zellen und 120 Amperestunden bis zu 80 Kilometer, was drei bis fünf Betriebsstunden entsprach.

1899: Porsche gewinnt sein erstes Autorennen

Für die Verzögerung des 1350 Kilogramm schweren Elektrofahrzeugs waren zwei verschiedene Systeme zuständig. Neben einer mechanischen Bremse konnte der Fahrer auch eine elektrische Bremse aktivieren, indem er den Lenkradkranz drückte und damit den Stromfluss unterbrach. Eine austauschbare Karosserie machte es möglich, den Wagen im Sommer offen und im Winter geschlossen zu nutzen.

Im September 1899 wurde der Porsche "P1" bei der Internationalen Motorwagen-Ausstellung in Berlin erstmals öffentlich gezeigt. Unter den 120 Ausstellern fanden sich damals allein 19 Hersteller von Elektromobilen. Für Ende September wurde eine Preiswettfahrt für Elektromobile von Berlin nach Zehlendorf und zurück ausgeschrieben - insgesamt mehr als 40 Kilometer. Bei diesem ersten Automobilrennen, an dem Porsche teilnahm, errang er gleich die Goldmedaille. Mit drei Passagieren an Bord und einem Vorsprung von 18 Minuten steuerte Porsche den "P1" über die Ziellinie.

1902 wanderte der "P1" für mehr als ein Jahrhundert ins Lager. Erst vor kurzem wurde er wiederentdeckt - nahezu unbeschädigt, wie aus einer Zeitkapsel. Mit ihm hat das Porsche-Museum seine Dauerausstellung nun nachhaltig verändert. Der originale und unrestaurierte "P1" eröffnet als Auftakt-Exponat den ersten Teil der Ausstellung, ein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1873758
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/press-inform
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.