Süddeutsche Zeitung

Verhaltensbiologie:Der selbstlose Barsch

Riff-Fische, die von Falschen Putzerfischen attackiert werden, verfolgen und bestrafen die Angreifer manchmal. Jetzt wissen Biologen, wieso die Tiere das tun.

Katrin Blawat

Manche Fische bestrafen ihre Angreifer, um diese von künftigen Attacken auf sich selbst und ihre ganze Gruppe abzuhalten.

Die Biologen Andrea und Redouan Bshary von der Universität Neuchâtel beobachteten in Riffen lebende Gruppen von Fahnenbarschen, in denen einzelne Tiere immer wieder von Falschen Putzerfischen angegriffen wurden ( Current Biology, online). Falsche Putzerfische ernähren sich von Hautstücken, die sie den Barschen herausbeißen.

Als Reaktion auf eine derartige Attacke jagten einige Barsche ihren Angreifern hinterher - ein für die Biologen erstaunliches Verhalten. Warum investiert ein bereits verletzter Fisch noch Energie in die Verfolgung seines Angreifers?

Dann bemerkten die Forscher, dass die Falschen Putzerfische künftig jene Barsche mieden, von denen sie verjagt worden waren - die Bestrafung zeigte also Wirkung. Laborexperimente bestätigten, dass sich zumindest einige Falsche Putzerfische gut daran erinnern können, von wem sie eine Strafe erwarten müssen und wer alles mit sich machen lässt.

Besonders überraschte die Forscher jedoch, dass von einer Bestrafung nicht nur der strafende Fisch selbst profitierte. Stattdessen ließen die Angreifer künftig alle Mitglieder der Gruppe in Ruhe, auch wenn sie nur mit einem einzigen schlechte Erfahrungen gemacht hatten.

"Dies zeigt, dass ein einzelnes Individuum mit seinem auf den ersten Blick eigennützigen Verhalten zum Wohl der gesamten Gruppe beitragen kann", schreiben die Autoren. Umgekehrt halten sie es aufgrund ihrer Studie für wahrscheinlich, dass scheinbar uneigennützig handelnde Fische - wie auch Menschen - in einigen Fällen nur ihre eigenen Interessen verfolgen.

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Quelle:
SZ vom 05.11.2010
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