Süddeutsche Zeitung

Studie zur Bodenzerstörung:Warum Millionen Menschen ihr Land verlieren

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Von Tina Baier

Den meisten Menschen ist mittlerweile bewusst, dass Wasser eine lebensnotwendige Ressource ist, ebenso wie Wälder und saubere Luft. Viel weniger bekannt ist, wie wichtig die Ressource Boden für das Überleben der Menschheit ist. Ein am Dienstag veröffentlichter Bericht der ELD, der Initiative Economics of Land Degradation, an der mehrere Organisationen unter anderem der Vereinten Nationen, der EU sowie das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit beteiligt sind, zeigt nun, wie bedrohlich der weltweite Verlust von Böden ist.

Die Verfasser rechnen damit, dass die Zerstörung fruchtbarer Böden in den kommenden zehn Jahren 50 Millionen Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat zwingen wird, weil sie nicht mehr genug Nahrung anbauen können. Wirtschaftlich betrachtet kostet der Flächenschwund dem Bericht zufolge jährlich 5,6 bis 9,4 Billionen Euro. Das entspreche zehn bis 17 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts.

Den wirtschaftlichen Verlust beziffern, um Aufmerksamkeit zu bekommen

Bei ihren Berechnungen haben die Forscher nicht nur den sogenannten Marktwert des Bodens berücksichtigt, der sich unter anderem im Wert des angebauten Getreides oder der geförderten Kohle ausdrückt. Sie haben außerdem Werte berücksichtigt, die sich indirekt auf Wirtschaft und Lebensqualität auswirken. Dazu gehört zum Beispiel die Fähigkeit des Bodens, verschmutztes Wasser zu filtern oder Kohlenstoff zu binden. Letzteres trägt dazu bei, die Treibhausgase zu reduzieren - nur die Ozeane sind in dieser Hinsicht wertvoller.

Die ELD ist ein Netzwerk aus Wissenschaftlern, Politikern und Unternehmen, die sich vorgenommen haben, den wirtschaftlichen Verlust zu benennen, der durch die Zerstörung von Böden entsteht - in der Hoffnung, dem Thema dadurch mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Etwas Ähnliches hat Nicholas Stern, ehemaliger Chefökonom der Weltbank, vor einigen Jahren versucht, als er die Kosten des Klimawandels berechnete.

Metropolen liegen in fruchtbaren Regionen

Nach dem ELD-Bericht sind weltweit 52 Prozent des fruchtbaren Ackerlands bereits "mäßig oder schwer beeinträchtigt". Ein Drittel Afrikas drohe zu verwüsten. Weltweit habe sich der Anteil von Gebieten, die mit Dürre zu kämpfen haben, von den Siebzigerjahren bis Anfang des 21. Jahrhunderts verdoppelt. Die Ursachen für die rasende Zerstörung sind vielfältig. Intensive Landwirtschaft und Flurbereinigung in den Industrieländern, riesige Staudämme in Schwellenländern, Übernutzung von Feldern und Weiden in Entwicklungsstaaten.

Die Gründe können von Land zu Land sehr unterschiedlich sein. Im westafrikanischen Benin beispielsweise ist der Anbau von Baumwolle das Hauptproblem. Die Pflanzen entziehen dem Boden extrem viele Nährstoffe und verbrauchen Unmengen Wasser. In anderen Ländern wird fruchtbarer Boden schlicht zubetoniert. Ausgerechnet Metropolen liegen oft in besonders fruchtbaren Regionen, weil sich die Stadtgründer dort niedergelassen haben. Jetzt breiten sich die Städte aus und verschlingen fruchtbares Land. Auch in Deutschland wird jeden Tag eine Bodenfläche zur Bebauung freigegeben, die der Größe von mehr als 100 Fußballfeldern entspricht.

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Quelle:
SZ vom 16.09.2015
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