Süddeutsche Zeitung

Archäologie:Massengrab mit deutschen Soldaten in den USA entdeckt

Lesezeit: 2 min

Bei einer Ausgrabung in New Jersey stoßen Archäologen überraschend auf die Knochen von bis zu 13 Deutschen. Sie kämpften im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg für die Briten. Der Fund zeigt, wie brutal die Schlachten damals waren.

Von Joshua Beer

Eigentlich wollten die Archäologinnen und Archäologen schon Feierabend machen, als jemand einen Oberschenkelknochen findet. Das Team unter Leitung der Geschichtsprofessorin Jennifer Janofsky von der Rowan University untersuchte ein altes Grabensystem in der Gemeinde Red Bank im US-Bundesstaat New Jersey, das zu Fort Mercer gehörte - Schauplatz einer historischen Schlacht im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Die Gruppe hatte bereits Hunderte von Artefakten gefunden, darunter eine seltene Goldmünze von 1766. Und ganz zum Schluss der Knochenfund, der die Fachleute schließlich ein Massengrab entdecken ließ, mit Überresten von womöglich 13 Toten.

"Wir haben nicht damit gerechnet, menschliche Überreste zu exhumieren. Das war nicht das Ziel des Ganzen", wird Janofksy in einer Pressemitteilung der Universität zitiert. Das Grab sei in keiner Karte verzeichnet gewesen. Die Archäologen vermuten, dass es sich bei den Toten um deutsche Soldaten handelt, die sie "Hessians" nennen - Hessen. Der Begriff wird in den USA oft synonym für angemietete deutsche Soldaten verwendet, die im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg auf der Seite der Briten kämpften.

Um die von 1775 an losgebrochene Revolution in ihren Kolonien niederzuschlagen, verstärkte die englische Krone ihre Armee mit Soldaten fremder Mächte. Dazu schloss sie - wie noch im 18. Jahrhundert üblich - Verträge mit deutschen Fürsten über sogenannte Subsidien, also Unterstützungsverpflichtungen. Bis zum Frieden von Paris 1783 dienten auf diesem Wege fast 30 000 deutsche Soldaten dem englischen König im Krieg. Sie stammten aus sechs deutschen Staaten, wobei die Landgrafschaft Hessen-Kassel das größte Kontingent stellte. Mit 15 Regimentern landeten ihre gut ausgebildeten Fußsoldaten 1776 in den USA. Mindestens 2300 Mann verloren im Krieg ihr Leben. Ein gutes Dutzend davon liegt wahrscheinlich in dem Massengrab in New Jersey.

Denn an der spektakulären Schlacht von Red Bank im Oktober 1777 beteiligte sich eine hessisch-kasselsche Streitmacht unter dem Kommando von Karl Emil von Donop. Die Briten hatten die Amerikaner zuvor bei Germantown in Philadelphia geschlagen und die Stadt in ein großes Militärlager verwandelt. Dann begannen sie, den strategisch wichtigen, aber schwer schiffbaren Delaware River abzusichern. An dessen Ufern im Süden der Stadt verschanzten sich die Revolutionäre auf zwei Festungen. Im kleineren Fort Mercer harrten um die 400 Soldaten aus, ihnen gegenüber lag von Donops 2000 Mann starke Truppe - eine klare Übermacht.

Am 22. Oktober eröffneten britische Kriegsschiffe das Feuer auf Fort Mercer und die Hessen rannten gegen dessen Mauern an - in ihr Verderben. Nicht einmal eine Stunde dauerte das Gemetzel, am Ende waren 400 Deutsche tot, von Donop tödlich verletzt und die Verteidiger hielten das Fort - mit nur 14 Mann Verlust. Zwar gaben die Amerikaner die Stellungen wenig später auf und verloren damit Philadelphia, doch der unverhoffte Sieg von Fort Mercer ging in die Geschichtsbücher ein.

Fast 245 Jahre später offenbaren die Knochen der Gefallenen, wie grausam die Schlacht war. Die Archäologen entdeckten Wunden, die wahrscheinlich von Musketenschüssen und Kartätschenmunition stammen. "Dieser Graben vermittelt einen ganz anderen Eindruck von der Brutalität in der Kriegsführung", sagt der leitende Archäologe Wade Catts. Als nächstes sollen die Skelette der Toten untersucht werden, um herauszufinden, wer die Männer waren.

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