Süddeutsche Zeitung

Umwelt:Ein Freispruch, immerhin

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Vor etwa 4000 Jahren ist das Mammut ausgestorben. Nun zeigt eine neue Untersuchung: Anders als vermutet war der Mensch ausnahmsweise unschuldig.

Von Tina Baier

Der Dodo war ein gefundenes Fressen für den Menschen. Der Vogel war fett, flugunfähig und daher: leichte Beute. Die Dodos wurden so zahlreich am Spieß gegrillt, dass die auf Mauritius heimischen Tiere gegen Ende des 17. Jahrhunderts ausgestorben waren. Beim Elefantenvogel auf Madagaskar aßen die Menschen auch gleich noch die Eier mit. Und der eigentlich scheue Tasmanische Tiger galt als brutaler Viehräuber und wurde deshalb so lange gejagt, bis es ihn nicht mehr gab. Dass das Raubtier Mensch diese und noch viele andere Tiere ausgerottet hat, gilt als sicher. Der Verdacht lag also nahe, dass Homo sapiens auch am Verschwinden des Mammuts vor etwa 4000 Jahren schuld war. Zumal fossile Funde belegen, dass die Menschen damals regelmäßig Mammut-Fleisch gegessen, aus den Knochen der Tiere Schutzunterkünfte gebaut und aus ihren Stoßzähnen Waffen hergestellt haben.

Anscheinend trifft den Menschen in diesem Fall aber ausnahmsweise keine Schuld. Das haben Wissenschaftler um Eske Willerslev, der an der University of Cambridge und an der Universität in Kopenhagen forscht, jetzt in einer aufwendigen Untersuchung gezeigt.

Als die Eiszeit endete und sich das Klima erwärmte, fanden die Tiere nicht mehr genug Nahrung

Der Studie zufolge, die gerade im Wissenschaftsjournal Nature veröffentlicht wurde, war es anders als vermutet nicht Homo sapiens, der das Mammut für immer verschwinden ließ, sondern der Klimawandel am Ende der letzten Eiszeit. "Der Mensch wurde beschuldigt, weil die Tiere Millionen von Jahren überlebt haben, ohne dass ihnen Veränderungen des Klimas etwas anhaben konnten", sagt Willerslev. Erst als der Mensch auftauchte, sei es mit ihnen bergab gegangen.

Die Ergebnisse seiner Studie zeigen aber, dass die riesigen Tiere wohl schlicht nicht mehr genug zu fressen fanden. Die Erwärmung des Klimas hatte nämlich zur Folge, dass die weiten Steppenlandschaften verschwanden, in denen die Mammuts gegrast hatten. An ihrer Stelle entstanden Wälder und Feuchtgebiete, mit denen die Tiere nicht zurechtkamen - anders als zuvor mit dicken Schneeschichten, die sie mit ihren Stoßzähnen einfach wegschaufelten, um an ihr Futter zu kommen.

"Wir konnten zeigen, dass vor allem die Geschwindigkeit des Klimawandels das Problem war", sagt Willerslev. Die Mammuts hätten es nicht geschafft, sich schnell genug anzupassen, als sich die Landschaft rasant veränderte und ihre Nahrung knapp wurde.

All das fanden die Wissenschaftler mithilfe einer relativ neuen Methode heraus, bei der nicht nur das Erbgut einzelner Arten analysiert wird, sondern das ganzer Lebensgemeinschaften. Dazu werden Bodenproben genommen, die Überreste von Pflanzen und Hinterlassenschaften von Tieren wie Urin, Kot oder Hautzellen enthalten. Das Erbgut längst ausgestorbener Lebewesen, das in diesen Hinterlassenschaften genauso enthalten ist wie etwa in fossilen Knochen, lässt sich aus den Proben herausholen und analysieren.

Für ihre Mammut-Studie untersuchten die Wissenschaftler 535 Proben aus arktischen Regionen, in denen zuvor Fossilien von Mammuts gefunden worden waren. Sie stammten aus unterschiedlichen Schichten des Permafrostbodens und aus den Sedimenten von Gewässern und decken den Forschern zufolge eine Zeitspanne von 50 000 Jahren ab.

Anhand des darin enthaltenen Erbguts konnten die Wissenschaftler unter anderem nachvollziehen, wie sich die Vegetation im Lauf der Zeit veränderte und parallel dazu die Zahl der Mammuts immer weiter abnahm. So lange, bis die Tiere schließlich ganz von der Erdoberfläche verschwunden waren.

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