Süddeutsche Zeitung

Landwirtschaft:Den Klimawandel verschlafen

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Der Bauernverband will künftig in "guten Jahren" Geld für die "schlechten Jahre" zurücklegen. Er verkennt auf fatale Weise, dass die Zeit der fetten Ernten längst vorbei ist.

Kommentar von Kathrin Zinkant

Die Landwirte in Deutschland haben es schon ziemlich schwer zurzeit, und ganz besonders gilt das für die Getreide- und Rapsbauern. Wettertechnisch passt nämlich fast gar nichts mehr für ihre Pflanzen, auch in diesem Jahr war das so. Erst kam der Frühling nicht aus dem Tritt, schon der Mai aber war viel zu heiß und zu trocken, weshalb die Ernten heuer noch mieser ausfallen werden als 2017. Dass daran keine Kapriole schuld ist, ein schlechtes Jahr, wie es halt mal vorkommt in der Landwirtschaft, das ist wissenschaftlich längst erwiesen. Klimawandel nennt sich das Phänomen, zeigen tut es sich in einer Häufung von Wetterextremen. Die meisten Menschen in Deutschland haben davon inzwischen gehört.

Wer vom Klimawandel allerdings noch nichts gehört zu haben scheint, das ist der Deutsche Bauernverband. Angesichts eines außerordentlich frühen Erntebeginns und desaströser Prognosen für den diesjährigen Ertrag hat der Präsident des Verbandes, Joachim Rukwied, in dieser Woche nämlich eine Forderung formuliert. Steuererleichterungen sollen her, damit die Bauern, wie er sagt, in den "guten Jahren" Geld zurücklegen können, um in "schlechten Jahren" nicht ganz so blöd dazustehen. "Risikoausgleich" nennt Rukwied das. Und verkennt die Lage damit vollständig.

Denn so geschult, wie der Bauernverband darin ist, Geld zu fordern für ein "Weiter so!" in der Landwirtschaft, so wenig lässt sich das Risiko Klimawandel mit Geld vom Acker schaffen. Eher wird es die geforderte "Liquiditätssicherung" für die Landwirte auf Dauer noch schwerer machen, sich in Zeiten von Stürmen, Starkregen und Dürre über Wasser zu halten.

Denn was hilft denn eine Steuererleichterung, wenn anstelle von guten und schlechten Jahren künftig vorwiegend schlechte kommen? Was die Agrarwirtschaft jetzt braucht, ist die grundlegende Veränderung. Das ist nicht mal nur wegen des Klimawandels so. Aber gerade die Intensität des heutigen Ackerbaus, der auf monströsen Flächen Einseitigkeit produziert und dabei massiv vom Pflanzenschutz und Dünger abhängt, macht die Landwirtschaft besonders anfällig.

Hier nach neuen Lösungen zu suchen, vor allem: nach neuen Möglichkeiten zu forschen, müsste absolute Priorität haben. Denn tatsächlich gibt es noch keine wissenschaftlich fundierten Antworten auf die Frage, wie sich der Anbau von Nahrungsmitteln auf lange Sicht sowohl ökologisch, als auch ökonomisch nachhaltig gestalten lässt. Was auch daran liegt, dass jedes Jahr schon Milliardensummen fließen - und zwar nicht in Nachhaltigkeitsprojekte der Wissenschaft, was dringend angezeigt wäre. Sondern direkt an die Bauern, als Subventionen. Zukunftsfähig ist das nicht.

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Quelle:
SZ vom 07.07.2018
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