Süddeutsche Zeitung

Handelsverbot für Robbenprodukte:Tierschutz am Nordpol

Die EU hat ein Handelsverbot für Robbenprodukte beschlossen - eine bequeme Maßnahme. Denn direkt vor der Haustür bleibt beim Tierschutz alles beim Alten.

Gunnar Herrmann

Man stelle sich vor, das Europäische Parlament hätte am Dienstag die Massentierhaltung abgeschafft: Die Proteste von Bauern und Fleischkonsumenten hätten Straßburg bis auf die Grundmauern erbeben lassen.

Tatsächlich hat das EU-Parlament am Dienstag nur ein Handelsverbot für Robbenfelle erlassen - und alles blieb ruhig. Dabei gäbe es gute Gründe, diesen Beschluss zu kritisieren.

Die Abgeordneten folgten weitgehend den Wünschen einer Tierschutzlobby, die Europas Öffentlichkeit seit Jahren immer wieder mit Bildern blutiger Robbenkadaver schockt. Und die Aktivisten haben ja recht: Die Jagd auf dem Eis ist zuweilen grausam.

Aber das allein sollte eigentlich nicht ausreichen für eine so drastische Maßnahme wie ein Handelsverbot. Grausam ist schließlich auch, was Tieren täglich in europäischen Ställen und Schlachthöfen widerfährt.

Robben nicht vom Aussterben bedroht

Wie würde die EU wohl reagieren, wenn Staaten außerhalb der Union mit einem Boykott zum Beispiel das Töten von Lämmern unterbinden wollten? Man sollte Norwegern, Kanadiern und Grönländern darum zugestehen, dass sie selbst bestimmen dürfen, wie und zu welchem Zweck ihre Fauna genutzt wird.

Zumal sie dabei bislang meist vernünftig waren: Die Robben sind jedenfalls nicht vom Aussterben bedroht - im Gegensatz zu vielen Wildtierarten in den EU-Staaten. Der Versuch, den Völkern am Rande des Nordpols die europäische Sicht vom rechten Umgang mit der Natur aufzuzwingen, ist überheblich.

Die EU-Abgeordneten müssten Tierschutz nicht in der fernen Arktis betreiben; sie könnten das viel wirkungsvoller bei sich zu Hause tun. Allerdings wäre das unbequemer - direkt vor einer Europawahl, die noch dazu mitten in die Grillsaison fällt.

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Quelle:
SZ vom 06.05.2009/gal
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