Süddeutsche Zeitung

Identifikation der Opfer:Wie die Absturzopfer identifiziert werden

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Von Kathrin Zinkant

Für die Trümmer des Airbus A320 hatte man am Mittwoch rasch ein Wort gefunden: "Pulverisiert" soll der Aufprall in den französischen Alpen das Flugzeug haben, zur Unkenntlichkeit zerschmettert. Über das Schicksal der Menschen zu reden, die in der Unglücksmaschine saßen, fällt dagegen schwer. Wird man die Opfer noch erkennen können? Wird es möglich sein, zumindest einige von ihnen zu begraben?

Die Identifizierung der Opfer obliegt den örtlichen Behörden in Frankreich. In der Nacht zum Donnerstag haben Rettungskräfte bereits die ersten Leichen aus den Trümmern geborgen . In den kommenden Tagen werden sie weiter nach sterblichen Überresten suchen. Sobald die Funde geborgen, gekennzeichnet und registriert sind, beginnt die beklemmende Arbeit der Rechtsmediziner. "Sie läuft im Prinzip genauso ab wie beim Fund einer einzelnen Leiche", sagt Michael Tsokos, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Charité in Berlin. Die Experten greifen dabei auf verschiedene Verfahren zurück, von denen die Erbgut-Analyse heute gewiss am plausibelsten erscheint. Mit einem DNA-Test lassen sich selbst kleinste Spuren eines Individuums, etwa eines Hautstücks, sicher dieser Person zuordnen.

Allerdings nehmen diese Analysen Zeit in Anspruch und sind vor Fehlern nicht gefeit. "Es werden daher immer mehrere Verfahren miteinander kombiniert", erklärt Oliver Peschel vom rechtsmedizinischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Dazu gehört der Vergleich des Zahnstatus mit Patientenakten, der bei Kleinkindern und Jugendlichen allerdings nur begrenzt Auskunft gibt. Oft lässt sich die Identität der Opfer aber an äußeren Merkmalen wie Haar- und Augenfarbe, Alter, Größe, Geschlecht oder anhand des Fingerabdrucks feststellen.

BKA-Beamte bitten die Hinterbliebenen um DNA-Proben

Eine wichtige Rolle für die mutmaßlich 72 deutschen Opfer kommt jetzt dem Bundeskriminalamt zu. Es entsendet Mitarbeiter zu den Hinterbliebenen, um Beschreibungen der Vermissten einzuholen, nach besonderen Merkmalen wie Tätowierungen oder Muttermalen zu fragen - und um Vergleichsproben für DNA-Test oder Fingerabdrücke zu erbitten. Selbst die Information über eine vergangene Blinddarmoperation kann helfen. "Wichtige Hinweise können auch die Registriernummern von Prothesen oder Herzschrittmachern sein", sagt Peschel. Er weiß, wie entscheidend Details sein können.

Unter anderem war der Rechtsmediziner vor gut zehn Jahren an der Untersuchung der 500 deutschen Tsunamiopfer in Südostasien beteiligt. Damals konnten bis auf wenige Ausnahmen fast alle Toten identifiziert werden. Peschel kennt aber auch Fälle, in denen die Hinterbliebenen der Opfer bis heute keine offizielle Bestätigung für das Schicksal ihrer Liebsten haben - wie nach dem Unglück der Birgenair-Maschine 1996, als nur 73 der 189 Passagiere aus dem Meer geborgen wurden. "In diesen Fällen haben die Angehörigen oft noch Jahre später Hoffnung", sagt Peschel. Wer immer weiter hofft, verarbeitet den Tod des Verwandten oder Freundes nur schwer. "Vor allem deshalb ist es so wichtig, auch unter widrigen Umständen eine individuelle Identifizierung der Toten zu erreichen." Das bestätigt Michael Tsokos von der Charité: "Diese Gewissheit sind wir den Angehörigen schuldig." Vorrang vor der Analyse der menschlichen Spuren habe aber die Suche nach der Ursache des Absturzes.

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SZ vom 26.03.2015
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