Süddeutsche Zeitung

Klimakrise:Die Atmosphäre wird immer durstiger

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Auch wenn es in Deutschland derzeit anhaltend regnet: Der Wassergehalt der Luft über Europa war in den vergangenen 400 Jahren nie so niedrig, weshalb das Risiko von Dürren und Waldbränden steigt. Manche Regionen sind besonders betroffen.

Dauerregen und Hochwasser in Deutschland vermitteln zwar gerade einen anderen Eindruck. Doch der Klimawandel hat die Luft in ganz Europa in den vergangenen Jahrzehnten deutlich trockener gemacht. Betroffen seien hauptsächlich die Alpen und die Pyrenäen sowie Mitteleuropa, schreibt eine internationale Forschungsgruppe mit deutscher Beteiligung in der Zeitschrift Nature Geoscience. Die trockene Luft erhöhe die Risiken sowohl für Waldbrände als auch für die Landwirtschaft, berichtet die Gruppe um Kerstin Treydte von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in Birmensdorf.

Das Forschungsteam ermittelte die Lufttrockenheit seit dem Jahr 1600 vor allem durch eine Analyse von Baumringen, die aus 45 Wäldern in ganz Europa stammen. Hier untersuchten die Wissenschaftler das Verhältnis zweier unterschiedlich schwerer Isotope von Sauerstoff (O) - O-18 und O-16. Zusätzlich wertete das Team meteorologische Daten aus und unternahm Modellsimulationen.

Als Maß für die Trockenheit nutzte die Gruppe das sogenannte Dampfdruckdefizit. Damit ist die Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem maximal möglichen Wassergehalt der Luft gemeint; sie wird auch als "Durst der Atmosphäre" umschrieben. Bei einem hohen Dampfdruckdefizit entzieht die "durstige" Luft den Böden und Pflanzen mehr Wasser. Dies kann das Wachstum der Vegetation beeinträchtigen und das Risiko von Waldbränden erhöhen.

Landwirte müssen mehr bewässern, die Erträge sinken

Den Analysen zufolge ist die Luft über sämtlichen untersuchten Regionen Europas seit Beginn des 21. Jahrhunderts trockener als je zuvor im Studienzeitraum. Der Trend sei jedoch in verschiedenen Arealen unterschiedlich stark ausgeprägt und betreffe vor allem die Pyrenäen, die Alpen sowie das mitteleuropäische Tiefland. Schwächer falle er dagegen in Südskandinavien aus. Die Entwicklung sei mit einer Wahrscheinlichkeit von 98 Prozent eine Folge des vom Menschen verursachten Klimawandels, heißt es weiter.

"Austrocknende Vegetation und Böden begünstigen die Häufigkeit von Waldbränden, wie wir sie kürzlich in Brandenburg erlebt haben", wird Co-Autor Gerhard Helle vom Deutschen Geoforschungszentrum in einer Mitteilung der Einrichtung zitiert. Aber auch der Agrarsektor könnte die Entwicklung zu spüren bekommen: "Das Dampfdruckdefizit ist für die Landwirtschaft besonders wichtig, denn je höher es ist, desto größer ist der Wasserbedarf der Pflanzen", sagt Erstautorin Treydte. "Es muss mehr bewässert werden und die Ernteerträge sinken. In den Wäldern sind der Holzvorrat und die Kohlenstoffspeicherung gefährdet, was zu Unsicherheiten hinsichtlich der Klimaregulierung und der Kohlenstoffspeicherung dieser Ökosysteme in der Zukunft führt."

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