Süddeutsche Zeitung

SZ-Klimakolumne:Trauern ums Klima

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Es steht nicht gut um die Gesundheit der Erde, aber in der Trauer übers Klima - der "ecological grief" - kann man auch einen Funken Hoffnung entdecken.

Von Dirk von Gehlen

Nur auf den ersten Blick lustig ist das, was die Moderatorin Katrin Bauerfeind unlängst auf Twitter schrieb. In Bezug auf die Diskussion über eine eigene Umweltsendung vor der "Tagesschau" schrieb sie: "Wenn's so weitergeht, dann braucht es kein 'Klima vor Acht' mehr, dann sind das einfach die Nachrichten!"

Nur halb lustig ist diese Beschreibung, weil die Nachrichten der vergangenen Wochen von Klimameldungen dominiert wurden, die dazu angetan sind, Angst zu machen. Gerade erst hat der Weltklimarat prognostiziert, dass "im Mittel der kommenden zwei Jahrzehnte die Erwärmung 1,5 Grad erreichen oder überschreiten dürfte, unabhängig davon, wie sich die Emissionen weiterentwickeln". So steht es im neuen Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC. Die Überschwemmungen nicht nur im Westen Deutschlands, die Hitzewellen und Waldbrände in Griechenland, Italien, der Türkei, Russland und den USA verändern nicht nur die Erde, sondern haben auch Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Die Umweltmedizinerin Claudia Traidl-Hoffmann sagt dazu in dieser Woche im Interview mit dem SZ-Magazin (SZ Plus): "Das Polareis schmilzt, der Jetstream erlahmt und hat nicht mehr die Kraft, die Wetterlagen wegzuschieben. Und dann regnet es mal nicht nur zwei Stunden wie aus Eimern, sondern zwei Tage. Das war kein Zusammenspiel einmaliger Faktoren - es wird noch viel häufiger kommen. Und deshalb bin ich auch echt wütend auf Politiker mit Regierungsverantwortung, die immer noch nicht handeln."

Insbesondere der letzte Satz zeigt, dass die Klimakrise auch emotionale und psychische Folgen zeitigt. Wut, Angst und sogar Trauer lösen die Meldungen aus. In den USA spricht man von einer ecological grief, einer ökologischen Trauer, die Menschen befallen kann anhand der Bilder von brennenden Wäldern, Erdrutschen oder Überschwemmungen.

Die Sorge um die Erde könne Trauer auslösen, sagte der Psychiater Andreas Meyer-Lindenberg im Interview mit Deutschlandfunk Kultur. Dabei müssen die Reaktionen gar nicht offiziell als psychische Erkrankung gewertet werden, auch "Trauerreaktionen und Verstimmungen" haben bedeutsame Folgen. Wie soll man also mit der Vielzahl negativer Meldungen umgehen?

Als ich mir diese Woche die Reaktionen von Leserinnen und Lesern der SZ auf den Bericht des Weltklimarates durchlas, spürte ich einen gewissen Fatalismus über die Tatenlosigkeit der Politik. Dieser Zynismus scheint die andere Seite des emotionalen Reaktionsspektrums zu bilden.

Dabei wird häufig ein Aspekt aus dem Bericht des IPCC übersehen: "Während viele dieser Veränderungen inzwischen unvermeidbar sind, betonen die Forscherinnen und Forscher aber auch: Die Menschheit hat weiter die Möglichkeit zum Handeln", schreiben Marlene Weiß, Benjamin von Brackel und Christoph von Eichhorn in ihrer Zusammenfassung.

Es gibt die Möglichkeit zum Handeln: Für Trauer wie Zynismus ist dieser Satz die vermutlich beste Therapie. Denn psychologisch gesehen entfaltet sich Hoffnung nicht in der Sicherheit auf ein gutes Ende, sondern wenn das eigene Handeln Einfluss hat. Ein berühmter Satz dazu stammt von Václav Havel, den Katrin Blawat in ihrer Gebrauchsanweisung für die Hoffnung (SZ Plus) zitiert: "Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn ergibt, egal wie es ausgeht."

So kann man die schlechten Nachrichten der vergangenen Wochen ja auch lesen: Sie bestätigen, dass es sinnvoll ist, etwas gegen die Erderwärmung zu tun.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

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