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Brüllaffen:Je tiefer das Gebrüll, umso kleiner der Hoden

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Mit ihrem Geschrei wirken Brüllaffen groß und gefährlich. Doch je bedrohlicher sie lärmen, desto kleiner ist ihr Hoden, fanden Forscher nun heraus. Das stützt eine Theorie Charles Darwins.

Von Jan Hellmut Schwenkenbecher

Eine laue Sommernacht. Vögel zwitschern, Frösche quaken. Die Hängematte knarzt leicht, während sie neben dem ausglühenden Lagerfeuer sanft hin und her schwingt. Doch plötzlich zerbirst die Stille. Tiefes, lautes Gebrüll, ein raubtierähnliches Getöse. Es lässt die Vögel davonflattern und die Frösche verstummen. Es klingt nach einem Löwen, doch die gibt es im Amazonas nicht.

Aber Affen gibt es. Kleine laute Brüllaffen. Sie werden keinen Meter groß, wiegen zwischen vier und zehn Kilogramm. Und doch stehen sie der größten aller Raubkatzen mit ihrem Gebrüll in nichts nach. Aus der Distanz klingen sie gleichermaßen groß und gefährlich. Kilometerweit kommunizieren sie so mit anderen Affen. Männchen desselben Rudels erkennen sich am gleichen Gebrüll, Tiere anderer Gruppen vertreibt es aus dem Revier.

Nun haben Forscher der Universität Cambridge herausgefunden, dass die Kampfschreie für die Affen aber auch einen Nachteil haben: Je tiefer das Gebrüll, umso kleiner sind ihre Hoden. Wie die Forscher im Fachblatt Current Biology schreiben, waren bei Affengruppen mit nur einem Männchen die Zungenbeine der Tiere größer, dafür aber die Testikel kleiner als im Durchschnitt. Ein größeres Zungenbein führt zu tieferem Gebrüll, was die Tiere bedrohlicher klingen lässt.

Wettstreit vs. Befruchtung

Je mehr Männchen die Forscher in einer Gruppe beobachteten, desto kleiner waren dort die Zungenbeine der Primaten. Dafür waren aber deren Hoden größer, produzierten also mehr Spermien. Die Forscher schlussfolgern aus ihren Beobachtungen, dass große Hoden in einer Gruppe mit vielen männlichen Konkurrenten für die Tiere einen größeren Vorteil bei der Reproduktion brachten als tiefe Töne.

Sie stützen damit eine These Charles Darwins: Derzufolge geht die Ausprägung von Merkmalen, die im Wettstreit mit Artgenossen hilfreich sind, auf Kosten von Eigenschaften, die der Befruchtung von Eizellen dienen. Beide helfen der Fortpflanzung, stehen aber im evolutionären Konflikt zueinander.

Wie das genau zustande kommt, können die Forscher noch nicht erklären. "Ein starkes Gesprächsorgan und Gebrüll zu entwickeln", sagt der Erstautor der Studie Jacob Dunn, könne evolutionär so aufwändig sein, "dass einfach nicht mehr genug Energie für die Entwicklung der Hoden da ist". Oder ein donnerndes Stimmorgan erschrecke rivalisierende Männchen so sehr, dass größere Hoden gar nicht mehr nötig seien.

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