Süddeutsche Zeitung

Wirecard:Bye bye, USA

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Die US-Tochter des Skandalkonzerns wurde für mehr als 300 Millionen Euro verkauft. Die Börse freut es.

Von Klaus Ott und Nils Wischmeyer, München/Köln

Von fast 200 Euro auf noch ein paar Cent: Das war der Abstieg der Wirecard-Aktie nach der fatalen Pleite des Aschheimer Unternehmens, bei dem herauskam, das ein Großteil der Geschäfte Luftnummern waren. Dass die Wirecard-Aktie also noch einmal einen Sprung macht, daran hätten wohl die wenigsten Investoren gedacht. Und doch: Acht Prozent ging es am Donnerstag zeitweise aufwärts, oder eben einige wenige Cent, ganz wie man es sehen wollte. Treiber der Aktie war an diesem Tag der Verkauf eines Konzernteils durch den Insolvenzverwalter Michael Jaffé. Der hatte nach Informationen der Süddeutschen Zeitung die Wirecard North America, eine Tochter des deutschen Konzerns, für mehr als 300 Millionen Euro an einen Investor verkauft. Noch müssen aber die Aufsichtsbehörden zustimmen.

Das Geld fließt in die ziemlich leeren Konzernkassen, in der sich mittlerweile Schulden in Höhe von 3,2 Milliarden stapeln, die Wirecard bis zu seiner Insolvenz angehäuft hatte. Zumeist Banken hatten dem Skandalkonzern teils hohe Millionenbeträge geliehen und bleiben aller Voraussicht nach auf einem Großteil der Forderungen sitzen. Denn selbst wenn Jaffé es schaffen würde, eine Milliarde Euro durch Verkäufe von Wirecard-Teilen einzutreiben, was Experten zufolge viel wäre, bliebe noch immer eine Lücke von mehr als zwei Milliarden Euro. Geld, das wie die mehr als 20 Milliarden Euro, die Aktionäre verloren haben, vermutlich weg ist. Der Verkauf in den USA aber ist dennoch ein Erfolg. Den Zuschlag erhalten hat Syncapay Inc., eine US-Holding, die sich laut Jaffé auf leistungsstarke Zahlungsdienstleister fokussiert. Geholfen haben dürfte, dass die US-Tochter nach dem bisherigen Stand der Dinge nicht in die mutmaßlich kriminellen Geschäfte des untergetauchten Ex-Vorstands Jan Marsalek und seiner Helfer verwickelt gewesen sein soll. Vielmehr agierte die Tochter weitgehend autonom.

Existiert hatte die Firma seit 2016, als Wirecard in den USA das Prepaidkarten-Geschäft der Großbank Citi kaufte. Auf diese Karten können Kunden Geld laden und das dann bis zum Limit von Null Euro ausgeben. Zusätzlich konnten die rund 180 Wirecard-Mitarbeiter in den USA einige Partner an Land ziehen. Dazu gehörten eigenen Angaben zufolge der Reiseveranstalter Royal Caribbean, das Start-up Credibly oder der Mobilfunkanbieter Sprint. All das, so tönte der Konzern, sei erst der Anfang. Langfristig wolle man eine etablierte Größe in den USA werden, zuletzt wollte man wohl auch eine Banklizenz beantragen. Dann kam die Insolvenz; das Kartenhaus brach in sich zusammen. Seither ermittelt die Staatsanwaltschaft - und der Insolvenzverwalter versucht ein bisschen Geld einzutreiben.

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Quelle:
SZ vom 24.10.2020
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