Süddeutsche Zeitung

Betrugsvorwürfe:Wirecard-Mitarbeiter soll Kollegen angeschwärzt haben

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Von Harald Freiberger

Noch nie steckte ein Dax-Unternehmen in solchen Börsenturbulenzen. Der Aktienkurs des Zahlungsdienstleisters Wirecard aus Aschheim bei München brach in der vergangenen Woche einmal um 20 Prozent und einmal um 30 Prozent ein. Grund waren zwei Berichte der Financial Times über angeblichen Betrug und Geldwäsche eines Wirecard-Topmanagers in Singapur.

Am Montag holte Wirecard nun zum Gegenschlag aus. "Wir widersprechen der Berichterstattung ausdrücklich", hieß es in einer Mitteilung. Vorstandschef Markus Braun erläuterte in einer Telefonkonferenz mit Analysten, eine interne und eine unabhängige Untersuchung hätten "keine schlüssigen Erkenntnisse" für ein strafbares Verhalten von Führungskräften oder Mitarbeitern ergeben. Die Prüfung stehe kurz vor dem Abschluss, er erwarte, dass nichts Belastbares dabei herauskomme. "Wir können Ihnen das voll zusichern", sagte Braun in der Telefonkonferenz.

Negative Auswirkungen auf das operative Geschäft erwartet Braun nicht. "Ich glaube, wir können bald wieder normal an die Arbeit gehen", sagte er. Der Aktienkurs von Wirecard zog am Montag wieder um 20 Prozent auf 132 Euro an. Er steht aber immer noch 20 Prozent unter dem Kurs vom vergangenen Mittwoch, bevor die Vorwürfe aufkamen.

Wirecard-Chef Braun berichtete, dass sich im April 2018 ein Mitarbeiter in Singapur bei der Compliance-Abteilung des Unternehmens vor Ort meldete; diese kontrolliert, ob mit den Abläufen im Unternehmen rechtlich alles in Ordnung ist. Der Mitarbeiter meldete der Compliance mögliche Rechtsverstöße eines Mitarbeiters in der Rechnungslegung in den Jahren 2015 bis 2018.

"Zwischen Menschen gibt es manchmal eben Emotionen"

Die Abteilung habe die Vorwürfe überprüft und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass diese unbegründet sind. Außerdem sei die unabhängige Anwaltskanzlei Rajah & Tann mit der Prüfung beauftragt worden. "Darüber hinaus gab es Hinweise darauf, dass die Vorwürfe auch mit persönlichen Feindseligkeiten zwischen den beteiligten Mitarbeitern zusammenhängen könnten", teilte Wirecard mit. Braun sagte später im Telefoncall: "Es hat mehr mit der Beziehung zwischen Menschen zu tun als mit den Prozessen im Unternehmen." Solche Dinge passierten, "zwischen Menschen gibt es manchmal eben Emotionen".

Auf die Frage, ob der Mitarbeiter, der den anderen angeschwärzt habe, noch bei Wirecard arbeite, sagte Braun: "Wer sich bei unserer Compliance-Abteilung meldet, dem wird absolute Anonymität zugesichert." Er selbst wisse gar nicht, wer es war, deshalb könne er die Frage nicht beantworten.

In dem ersten Bericht der Financial Times hatte es geheißen, ein Topmanager von Wirecard in Singapur habe mit gefälschten und zurückdatierten Verträgen unzulässige Transaktionen durchgeführt. Die Zeitung beruft sich dabei auf eine interne Präsentation vom 7. Mai 2018 mit dem Namen "Projekt Tiger". In ihr sei unter anderem von "Geldwäsche" und "Kontenfälschung" die Rede. Die Präsentation sei erstellt worden, um sie einen Tag später, am 8. Mai, "den vier höchstrangigen Managern" des Unternehmens vorzustellen, unter ihnen auch Vorstandschef Markus Braun.

Im zweiten Bericht der Financial Times vom Freitag stand, die von Wirecard beauftragte Anwaltsfirma Rajah & Tann habe Beweise gefunden, die auf "schwerwiegende Fälschungsdelikte und/oder Kontenfälschung" hindeuteten. Wirecard-Chef Braun schloss rechtliche Schritte gegen die Zeitung und den Autor des Textes nicht aus.

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