Süddeutsche Zeitung

Welthandel:Handelskrieg zwischen USA und China bedroht deutsche Firmen

Lesezeit: 4 min

Von Christoph Giesen, Peking, und Claus Hulverscheidt, New York

Es ist gar nicht so einfach, eine ganze handelspolitische Philosophie in zwei, drei knappen Sätzen zusammenzufassen. Donald Trump jedoch reichten diese Woche zehn mickrige Worte: "Wenn du 500 Milliarden Dollar zurückliegst, kannst du nicht verlieren", schrieb er im Kurzmitteilungsdienst Twitter. Soll heißen: Weist das eigene Land im Warenverkehr mit einem anderen hohe Defizite auf, kann man getrost einen Handelskrieg anzetteln - es kann ja nur besser werden.

Rund 1300 chinesische Produkte will der US-Präsident mit Einfuhrstrafzöllen von 25 Prozent belegen, und das alles aus dem Gedanken heraus, dass der bilaterale Warenaustausch zweier Staaten so funktioniert wie ein Fußballspiel: Einer gewinnt, einer verliert. Dass Handel im besten Fall ein Geschäft zum beiderseitigen Nutzen ist, kommt in dieser Denkweise nicht vor.

Man sollte meinen, dass die US-Autoriesen Ford und General Motors aufschreien

Noch weiß niemand, ob Washington und Peking ihre Drohungen und Gegendrohungen tatsächlich wahr machen werden oder ob es eher darum geht, die eigene Verhandlungsposition zu verbessern, wie Larry Kudlow, Trumps oberster Wirtschaftsberater, zuletzt andeutete. Klar aber ist: Werden am Ende 1300 Zölle und 106 Gegenzölle eingeführt, werden sich beide Seiten - und mit ihnen die Handelspartner in aller Welt - auf zahllose unerwünschte Nebenwirkungen einstellen müssen.

Ein Beispiel dafür sind die geplanten Einfuhrsteuern auf US-Autos, die zum Paket zählen, mit dem China die Grenzabgaben der Amerikaner kontern will. Allein im vergangenen Jahr importierte China rund 280 000 Pkw im Wert von gut zwei Milliarden Dollar aus den Vereinigten Staaten. Man sollte meinen, dass die US-Autoriesen Ford und General Motors aufschreien, weil ihre Modelle in China bald deutlich teurer werden könnten. Doch aus Detroit war bisher praktisch nichts zu hören. Ford und GM müssen allerdings auch kaum fürchten, dass ihre Modelle in China bald deutlich teurer werden könnten - schließlich fertigen sie den Großteil der Wagen, die sie dort verkaufen, bereits in Fabriken vor Ort.

Für BMW und Mercedes war die bisherige Strategie sehr lukrativ

Die eigentlichen Verlierer sind andere, allen voran BMW und Mercedes. Mehr als die Hälfte der aus den USA nach China gelieferten Autos nämlich stammt nicht von amerikanischen Firmen, sondern von den beiden deutschen Premiumherstellern. Sie fertigen fast alle ihrer auch in China beliebten PS-starken Sportgeländewagen in den USA. Das Analyseunternehmen IHS schätzte jüngst, dass BMW in diesem Jahr rund 89 000 SUV nach China verkaufen wird, Mercedes etwa 65 000.

Das war vor der Eskalation des Handelsstreits. Für die Geschäftsleitungen in München und Stuttgart erschien die bisherige Strategie äußerst lukrativ. Denn würden die Wagen in China produziert, müssten die Deutschen mit dortigen Firmen kooperieren. Audi zum Beispiel unterhält in Nordchina ein Joint Venture mit dem staatlichen Autobauer FAW. 60 Prozent der Anteile liegen bei den Chinesen, 30 Prozent hält die Audi-Mutter Volkswagen, die Ingolstädter selbst kommen auf lediglich zehn Prozent. Obwohl sie das komplette Knowhow liefern, verdienen sie an jedem in China gefertigten Audi also gerade einmal zehn Prozent. Würden die Autos stattdessen importiert, fielen zwar die bereits bestehenden Einfuhrzölle von durchschnittlich 25 Prozent an, die Gewinne aber verblieben vollständig in Ingolstadt.

Nun jedoch drohen weitere 25 Prozent an Strafzöllen hinzuzukommen. "Wir rechnen damit, dass die Listenpreise um etwa 20 Prozent steigen werden," schreiben die Experten des New Yorker Broker-Hauses Bernstein in einem aktuellen Report. In absoluten Zahlen: Jedes Fahrzeug würde 20 000 Euro mehr kosten als bisher.

Daimler-Chef Dieter Zetsche hofft, dass die Trump-Regierung noch zur Besinnung kommt und erkennt, "wie bedeutend der Beitrag der deutschen Hersteller zum amerikanischen Export ist". Doch es gibt auch einen Alternativplan: CKD. Das steht für "Completely Knocked Down" und bedeutet, dass ein Auto nicht fertig montiert, sondern in Einzelteilen nach China geliefert wird - als eine Art Ikea-Bausatz gewissermaßen. Solche CKD-Werke wurden auch früher schon gebaut, sei es, um Einfuhrzölle zu umgehen, oder aber weil sich in einem Land noch keine nennenswerte Zulieferindustrie angesiedelt hatte.

Zwei Drittel des Handels bestehen aus Produkten, die mehrfach Grenzen überqueren

BMW etwa verfügt über ein solches Werk in Thailand. Ein dort zusammengesetzter Sportgeländewagen würde bei der Einfuhr nach China nur die ohnehin üblichen 25 Prozent Zoll kosten. Härter träfe es dagegen den US-Elektroautobauer Tesla: 15 Prozent seines Absatzes gehen nach China, produziert jedoch wird ausschließlich in Kalifornien.

Doch die Autoindustrie ist längst nicht die einzige, der böse Überraschungen drohen. Zwar haben die Regierungen in Washington und Peking ihre Sanktionslisten so zugeschnitten, dass die jeweils eigenen Verbraucher geschont und Proteste möglichst vermieden werden. Die Idee wird jedoch durch die Zollpläne des jeweils anderen durchkreuzt. Hinzu kommt, dass zwei Drittel des Welthandels nicht etwa aus End-, sondern aus Vorprodukten besteht, die im Laufe des Fertigungsprozesses einmal oder mehrfach Grenzen überqueren. Ein "chinesisches" Endprodukt, das bei der Einfuhr in die USA künftig mit einem Strafzoll belegt wird, ist also oft eines, das zu großen Teilen andernorts gefertigt wurde, in Japan etwa, in Südkorea, Thailand - oder auch in den Vereinigten Staaten.

Nach Angaben des Forschungsinstituts Brookings sind 37 Prozent aller aus den China in die USA gelieferten Waren Vor- und Zwischenprodukte oder aber Komponenten. "Wer auf solche Vorprodukte Zölle erhebt, schießt sich selbst ins Knie", so das Institut. Und der Schaden könnte neben der ökonomischen schon bald auch eine politische Dimension erreichen. Brookings zufolge nämlich werden 2783 US-Landkreise von den chinesischen Importzöllen betroffen sein. Davon hatten bei der Präsidentschaftswahl 2016 genau 2279 mehrheitlich für jenen Kandidaten votiert, der im kommenden Herbst die Mehrheit seiner republikanischen Partei im US-Kongress verteidigen muss: Donald Trump.

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SZ vom 06.04.2018
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