Süddeutsche Zeitung

Verwaltung des Luftfahrtkonzerns EADS zieht nach Toulouse:Abkehr von der deutsch-französischen Balance

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Der neue EADS-Chef Thomas Enders will die Zentrale des Luftfahrtkonzerns ins französische Tolouse verlagern. Die Standorte in München und Paris verlieren damit an Bedeutung. Ein bewusster Bruch mit der politisch geprägten Aufteilung der Konzern-Verwaltung zwischen Deutschland und Frankreich.

Jens Flottau

Louis Gallois, 68, ist ein Diplomat. Wenn der scheidende EADS-Chef bisher von den komplexen Verwaltungsstrukturen des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS - zwei Verwaltungen in München und Paris, ein offizieller Konzernsitz in den Niederlanden - sprach, gab er sich vorsichtig: "Das ist zwar keine optimale Lösung, läuft aber doch ganz gut", sagte er im Dezember der SZ und fügte an: "Ich bin ja keine Henne, die ihre Küken ständig um sich haben muss."

Dagegen will sein Nachfolger Thomas Enders, 53, der im Sommer die EADS-Führung übernehmen wird, künftig alle seine Küken um sich haben. Die EADS-Zentrale soll künftig in Toulouse sein. Bei einem internen Treffen von Führungskräften des EADS-Konzerns in Madrid kündigte er schnelle Veränderungen an - und das wenig diplomatisch und offenbar ohne große vorherige Absprachen.

Die Verwaltungssitze in München und Paris sollen nach Südfrankreich verlagert werden. Dadurch, so Enders, soll die interne Zusammenarbeit aller Abteilungen verbessert werden. Toulouse sei sowieso schon das Zentrum der europäischen Luft- und Raumfahrt, argumentiert er. Mehrere hundert Mitarbeiter werden nun in die südfranzösische Stadt umziehen müssen. Er selbst werde EADS von Toulouse aus führen, kündigte Enders an. EADS nimmt zu den Plänen keine Stellung.

Bislang arbeitet der Konzern vor allem aus politischen Gründen mit zwei Zentralen: eine in Ottobrunn bei München und eine in Paris. Dies wurde bei der Gründung von EADS im Jahr 2000 so beschlossen. In Ottobrunn bei München residierte ursprünglich die deutsche Dasa, in Paris war Aerospatiale-Matra. Beide Firmen gingen zusammen mit der spanischen Casa in EADS auf.

Sowohl Deutschland als auch Frankreich hatten auf dieser Lösung bestanden - aus Prestigegründen und um die schwierige Balance zwischen den beiden Ländern zu dokumentieren. Dazu wurden höhere Kosten und Ineffizienzen bewusst in Kauf genommen. Schon öfters wurde über eine neue Struktur für EADS diskutiert, doch Pläne wurden immer wieder verworfen.

Jetzt geht Enders das Projekt an. Ein Umzug kann auch dazu genutzt werden, verkrustete Abläufe aufzubrechen. Zudem könnte als zweiter Schritt eine noch engere Integration von EADS und der wichtigsten Tochterfirma Airbus folgen. Airbus sitzt schon lange in Toulouse. Enders ist bislang Chef des Flugzeugherstellers.

Die EADS-Standorte München und Paris sollen zwar nicht komplett aufgegeben werden, aber sie werden erheblich an Bedeutung verlieren. Der juristische Holdingsitz der EADS ist aus rechtlichen Gründen ohnehin Amsterdam. Dort sollen und müssen weiterhin auch die Verwaltungsratssitzungen stattfinden. In Branchenkreisen heißt es, bis zu 400 Mitarbeiter in Paris und München könnten von den Umzugsplänen betroffen sein.

Zwar müssten nicht alle nach Toulouse übersiedeln, das Unternehmen werde aber von der neuen Zentrale geführt. Manche Funktionen könnten auch nach Berlin wandern. In Ottobrunn würden vor allem die Mitarbeiter der Technologiefirma Innovation Works und der Raumfahrtsparte Astrium verbleiben.

Das Unternehmen beschäftigt weltweit rund 120 000 Menschen, vor allem in Deutschland, Spanien und Frankreich, der Umsatz lag zuletzt bei 45,8 Milliarden Euro. Nicht betroffen sind die vielen EADS- und Airbus-Werke. Der mit Abstand größte EADS-Standort in Deutschland bleibt Hamburg, dort werden die Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge von Airbus montiert, Bremen ist für die Raumfahrt eine große Basis. Die Verteidigungssparte Cassidian wird von Unterschleißheim aus geführt, Eurocopter ist im bayerischen Donauwörth.

Mit der Entscheidung für Toulouse dokumentiert Enders, dass er in dieser Sache unabhängig von politischen Erwägungen agieren will, er untermauert auch seinen weitgehenden Führungsanspruch, der sich schon bei der Neubesetzung des EADS-Vorstandes im Januar abgezeichnet hat. Enders setzte dabei durch, dass EADS und Airbus einen gemeinsamen Personal- und Finanzvorstand bekommen, um die Integration zu beschleunigen. Die Posten übernehmen die bisherigen Airbus-Vorstände Thierry Baril und Harald Wilhelm.

Enders' Nachfolger an der Spitze von Airbus, der Franzose Fabrice Brégier, verlor schon dadurch an Macht, seine Stellung könnte durch den Umzug der Zentrale weiter geschwächt werden. Schon zuvor zeigte sich Enders kompromisslos, er will keine staatlichen Anteilseigner im Unternehmen haben. Frankreich und Deutschland halten je 15 Prozent.

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SZ vom 10.02.2012
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