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Verkehr:Beleidigungen im Straßenverkehr können teuer werden

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Hamburg (dpa/tmn) - Lange Staus, volle Straßen oder zugeparkte Fahrradwege - es gibt viele Gründe, warum der Ton im Straßenverkehr zusehends rauer wird und die Nerven immer öfter blank liegen.

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Hamburg (dpa/tmn) - Lange Staus, volle Straßen oder zugeparkte Fahrradwege - es gibt viele Gründe, warum der Ton im Straßenverkehr zusehends rauer wird und die Nerven immer öfter blank liegen.

Freundlichkeiten wie „Idiot“, „blöde Kuh“ oder „Arschloch“ wechseln da schnell die Seiten. „Gerade bei Autofahrern sinkt die Hemmschwelle schnell“, sagt Philipp Sander vom Automobilclub Mobil in Deutschland. Geschützt im eigenen Fahrzeug sei die Distanz zum Gegenüber größer: „Was man jemandem persönlich wohl eher selten sagen würde, rutscht hinter geschlossenen Autotüren wesentlich leichter heraus.“ Doch was dem Autofahrer vielleicht schon an der nächsten Ecke leidtun könnte, wenn der Verkehr wieder rollt, kann ein böses Nachspiel haben.

„Es handelt sich in allen Fällen um Beleidigungen“, sagt Daniela Mielchen, Fachanwältin für Verkehrsrecht, „und dabei ist es auch unerheblich, ob diese Äußerung schriftlich, mündlich, bildlich oder durch schlüssige Handlungen erfolgt ist.“ Das Zeigen des Mittelfingers erfülle den Tatbestand der Beleidigung dabei ebenso wie der „Vogel“ oder eine herausgestreckte Zunge. Allerdings: Eine Beleidigung ist keine Ordnungswidrigkeit. Um für die unflätigen Äußerungen bestraft zu werden, ist es notwendig, dass die Gegenseite Anzeige erstattet. „Eine Beleidigung wird nur auf Antrag verfolgt, das bedeutet: Bei der Polizei muss ein Strafantrag gestellt werden“, erklärt Mielchen.

Beweise sammeln

Problematisch jedoch sei mitunter die Beweisführung, wenn Aussage gegen Aussage stehe. Staatsanwaltschaft und Gericht würden dann aber eher dazu neigen, dem Beleidigten zu glauben. Dem Beleidiger hingegen werde eher ein Interesse an falschen Schutzbehauptungen unterstellt. Zudem werden für die Strafanzeige die Personendaten benötigt. Die aber werde der Beleidigende meist nicht freiwillig preisgeben.

Daher in jedem Fall wichtig: das Kennzeichen notieren und möglichst auch Zeugen benennen. Eine andere Möglichkeit sind Beweisfotos oder -videos mit dem Smartphone. Hier jedoch warnt Mielchen: Grundsätzlich verstoße die Anfertigung von Fotos oder Videos ohne Einwilligung des Täters gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Aber nicht in jedem Fall sind solche Aufnahmen unzulässig: Anlassbezogen seien sie vielfach erlaubt. Hier komme es immer auf den Einzelfall an, und es müssten die Interessen beider Seiten berücksichtigt werden.

Spannweite der Geldstrafen

Die Höhe der Strafe hängt auch davon ab, ob der Täter ein Ersttäter ist und wie das Gericht die Tatumstände bewertet. „Meistens bewegt sich die Geldstrafe zwischen 15 und 20 Tagessätzen, wobei die Tagessatzhöhe sich aus dem monatlichen Nettoeinkommen des Beschuldigten errechnet“, so Mielchen. Einen Katalog mit festen Sätzen etwa wie beim Bußgeldkatalog gibt es nicht. Möglich sei aber auch, dass eine Beleidigung straffrei bleibe, wenn das Gericht zu dem Schluss kommt, dass der Beleidigende zuvor selbst provoziert wurde.

Die Spannweite beispielhafter Geldstrafen für Beleidigungen ist groß. Bereits die „dumme Kuh“ kann 300 Euro kosten. Ein „Idiot“ wurde auch schon mal mit 1500 Euro bestraft, nennt Sander Beispiele. Ein Stinkefinger sei sogar mit 4000 Euro geahndet worden, und die Scheibenwischer-Geste kostete einen anderen Autofahrer 1000 Euro. Mit 150 Euro vergleichsweise günstig war die herausgestreckte Zunge eines Verkehrsteilnehmers, während die Beleidigung „alte Sau“ einen Autofahrer 2500 Euro kostete. Bei einer tätlichen Beleidigung könne auch einen Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren verhängt werden.

Gelassenheit ist das besste Mittel

Wer einen Polizisten als „scheiß Bulle“ beleidigt, muss nicht mit einer höheren Bestrafung rechnen. Mielchen: „Der Täter wird genauso bestraft, wie wenn er einen normalen Mitbürger beleidigt hätte.“ Allerdings werde das für die Strafverfolgung notwendige „öffentliche Interesse“ von der Staatsanwaltschaft bei der Beleidigung von Beamten sehr viel häufiger bejaht. So teuer eine Beleidigung auch sein kann, Punkte in Flensburg gibt es dafür nicht mehr. „Seit der Punktereform werden nur noch Taten bepunktet, durch die die Verkehrssicherheit beeinträchtigt werden kann, was bei Beleidigungen grundsätzlich nicht der Fall ist“, erklärt Mielchen.

Für Fahrschulen gehören Beleidigungen zum Alltag. Fahrlehrer Jürgen Kopp von der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände rät seinen Schülern in solchen Fällen zur Gelassenheit. Ein Anti-Aggression- und Anti-Stress-Verhalten sei heute bereits Teil der Fahrausbildung. Ruhe zu bewahren und nicht gleich jede Kleinigkeit zur Anzeige zu bringen, rät Anja Smetanin vom Auto Club Europa (ACE): „Nach einem stressigen Tag lohnt es sich, tief durchzuatmen, bevor man ins Auto steigt.“

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