Süddeutsche Zeitung

Öffentlicher Dienst:Gewerkschaften verlangen 10,5 Prozent mehr Geld

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Verdi und Beamtenbund wollen wegen der Inflation deutlich mehr Geld für die 2,5 Millionen öffentlich Beschäftigten herausholen - und wecken damit Erinnerungen an die 1970er-Jahre.

Von Benedikt Peters, München

Die Zahl ist nun also tatsächlich zweistellig. Die Gewerkschaften Verdi und Deutscher Beamtenbund fordern in ihrer Tarifrunde für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen eine Einkommenssteigerung von 10,5 Prozent. Für Beschäftigte, die wenig verdienen, soll es mindestens 500 Euro im Monat mehr geben.

"Die Inflationsentwicklung, Lebensmittel- und insbesondere Energiepreise reißen tiefe Löcher in die Haushaltskassen der Beschäftigten. Viele von ihnen wissen nicht, wie sie sich und ihre Familien über Wasser halten können, einige können ihre Mieten oder Heizkosten nicht mehr zahlen", sagte Verdi-Chef Frank Werneke am Dienstag zur Begründung.

Damit trifft das ein, was die Gewerkschafter in den vergangenen Monaten schon angedeutet hatten. Zwischen acht und elf Prozent mehr Geld müsse es geben, hatte Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach kürzlich im Gespräch mit der SZ gesagt. Er begründete das mit dem Beispiel eines Bundespolizisten aus der Besoldungsgruppe A7, der verheiratet ist und zwei Kinder hat. "Brutto bekommt er 2900 Euro", sagte Silberbach, "netto also etwa 1800 Euro. Davon muss er aber noch Miete und Heizkosten zahlen - und damit zwei Posten, die in letzter Zeit deutlich teurer geworden sind."

Ungemütliche Verhandlungen erwartet

Die zweistellige Forderung weckt Erinnerungen an die 1970er-Jahre, als die Inflation infolge der Ölkrise schon einmal besonders hoch war und einige Gewerkschaften hohe Lohnabschlüsse durchsetzten. Der Gewerkschafter Heinz Kluncker etwa setzte 1974 elf Prozent für den öffentlichen Dienst durch, nachdem Müllwerker und Straßenbahner drei Tage lang gestreikt hatten. Einigen Ökonomen gelten die Abschlüsse als Auslöser einer sogenanten Lohn-Preis-Spirale, welche die Inflation weiter anheizte. Andere Ökonomen bestreiten das.

Unabhängig davon könnte die Tarifrunde im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen - dazu gehören Erzieher, Müllwerkerinnen, Krankenpfleger, Verwaltungsangestellte und viele Berufe mehr - auch dieses Mal ungemütlich werden. Die Gewerkschaften scheinen zu wenigen Zugeständnissen bereit, zu hören ist, dass die Erwartungshaltung ihrer Mitglieder dieses Mal besonders hoch sei.

Die Arbeitgeber wiederum signalisieren, dass es in diesem Jahr kaum Spielräume gebe - und haben dafür ebenfalls nachvollziehbare Argumente. Die Kommunen leiden unter Energiekrise und Inflation, der Betrieb öffentlicher Einrichtungen wird dadurch deutlich teurer. Gleichzeitig werden die Mittel in den Haushalten durch die vielen Krisenhilfen geringer. Und dann wäre da auch noch die Corona-Pandemie, sie schmälerte die Einnahmen vieler Kommunen, zum Beispiel, weil viele Unternehmen in der Krise weniger verdient haben und deshalb auch weniger Gewerbesteuer zahlen mussten.

Die Verhandlungen beginnen am 24. Januar. Ähnlich wie bei den Metallern, die acht Prozent fordern, dürften sie sehr knifflig werden.

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