Süddeutsche Zeitung

Uber-Chef Dara Khosrowshahi:Der Mann, der Uber Manieren beibringen soll

Lesezeit: 3 min

Von Kathrin Werner, New York

Er denkt, bevor er spricht. Er hört lieber zu, als zu reden. Er ist ausgeglichen und bescheiden. Er meidet das Rampenlicht so sehr, dass kaum einer seinen Namen kennt, obwohl er Chef eines Milliardenunternehmens ist. Mit diesen Sätzen beschreiben seine Kollegen, Mitarbeiter und Verwandten einen Mann, der nun plötzlich im Rampenlicht steht: Dara Khosrowshahi, Chef des Online-Reisebüros Expedia und angehender Chef von Uber. Khosrowshahis Cousin zum Beispiel sagt, dass er sich vor jeder schwierigen Entscheidung fragt: "Was würde Dara tun?"

Mit der Ernennung von Khosrowshahi geht ein wochenlanges Hickhack um den Chefposten des Fahrdienstvermittlers Uber zu Ende. Offiziell angenommen hat Khosrowshahi den neuen Job noch nicht, aber am Sonntag hat sich der Aufsichtsrat von Uber einstimmig für den 48-Jährigen entschieden, hieß es in Medienberichten. Khosrowshahis Vorgänger Travis Kalanick, der Uber mitgegründet und binnen weniger Jahre zum höchstbewerteten privat gehaltenen Start-up der Welt gemacht hatte, musste im Juni seinen Posten aufgeben, nach etlichen Skandalen, Rechtsstreitigkeiten, einer Untersuchung des Justizministeriums, Boykottaufrufen, den Kündigungen nahezu aller wichtigen Uber-Manager und einer Meuterei der mächtigsten Investoren.

Eine Frau war noch im Gespräch, sie wollte die Macht des Ex-Chefs stark einschränken

Ausgeglichen, bescheiden, bedacht - das sind keine Begriffe, die jemals jemand Kalanick zugeordnet hätte. Der 41-Jährige ist laut und aufbrausend. Vorwürfe über sexuelle Belästigung und Diskriminierung in seinem Unternehmen ignorierte er lange. Kalanick selbst prägte die Kultur. Er nannte sein Unternehmen in einem Interview mit dem Magazin GQ einmal "Boob-er", ein Wortspiel mit dem amerikanischen Wort für Brüste, weil ihm seine Machtposition Sex mit so vielen Frauen ermögliche.

Khosrowshahi ist der Anti-Kalanick. Er zog als Neunjähriger mit seinen Eltern aus Iran in die USA. Seine Teenager-Jahre verbrachte er nur mit seiner Mutter, weil sein Vater nach der Rückkehr in sein Heimatland dort sechs Jahre lang in Haft saß. Er studierte Ingenieurwissenschaften an der Universität Brown und heuerte später bei dem Medien- und Tech-Konglomerat IAC an, zu der Expedia gehörte. Seit 2005 ist er Chef des inzwischen selbstständigen Online-Reisebüros. Skandale über Expedia oder Khosrowshahi gibt es keine. In die Öffentlichkeit getreten ist er nur einmal: Als er gegen das Einreiseverbot für Menschen aus mehrheitlich muslimischen Ländern protestierte, das US-Präsident Donald Trump verhängt hatte. Kalanick saß zeitweilig in einem Trump-Beratergremium.

Nun muss der Anti-Kalanick seinen neuen Arbeitgeber von Kalanicks Skandalen entweben - obwohl Uber weiterhin eng mit Kalanick verwoben ist. Der Ex-Chef sitzt im Aufsichtsrat und hält Unternehmensanteile, bei der Suche nach einem Nachfolger spielte er eine große Rolle. Die Suche verlief entsprechend chaotisch. Kalanick versuchte, seine Rückkehr an die Spitze des Vorstands durchzusetzen - gegen heftigen Widerstand seiner Feinde im Aufsichtsrat.

Immer wieder drangen Namen von Kandidaten an die Öffentlichkeit, die eigentlich geheim bleiben sollten. Bis zur letzten Minute wurde die Chefin von Hewlett Packard Enterprise, Meg Whitman, als wahrscheinliche Nachfolgerin gehandelt. Sie verlangte allerdings, dass Kalanicks Einfluss eingeschränkt wird - worauf sich der Aufsichtsrat nicht einigen konnte. Kalanicks Wunschkandidat in dem Machtkampf war einer der Größten der US-Wirtschaft, der Ex-Chef von General Electric, Jeff Immelt. Er zog sich am Sonntag per Twitter-Meldung aus dem Rennen, zum einen, weil ihm die Stimmen im Aufsichtsrat fehlten, zum anderen, weil ihm der Prozess zu chaotisch war, hieß es in Medienberichten. Khosrowshahi war der Kompromiss-Kandidat, seine einstimmige Ernennung gilt als Zeichen eines Waffenstillstands.

Mit Wachstum kennt er sich aus

Trotz all der Vorwürfe gegen Kalanick gelten seine Rücksichtslosigkeit und seine Bereitschaft, Marktregeln und sogar Gesetze zu brechen, auch als Gründe für den sagenhaften Aufstieg von Uber. Das Unternehmen hat Fahrer in Städten auf die Straße geschickt, in denen sie als Konkurrenten für Taxifahrer eigentlich verboten waren. In gerade einmal acht Jahren ist Uber so von null auf einen Marktwert von 69 Milliarden Dollar angewachsen. In Deutschland ist der Dienst nicht verbreitet, in vielen anderen Ländern ist er aus dem Alltag aber kaum noch wegzudenken. 20 Milliarden Dollar haben die Kunden in 76 Ländern der Welt für Fahrten mit Uber im vergangenen Jahr ausgegeben. Uber schrieb 2,8 Milliarden Verlust im Jahr 2016, aber das lag vor allem am Wachstumstempo, das Geld kostet.

Es wird schwierig für den freundlichen Khosrowshahi, dieses Tempo aufrecht zu erhalten. Allerdings dürfte ihm helfen, dass er sich mit Wachstum auskennt. In seinen zwölf Jahren an der Spitze des Unternehmens hat er Expedia zu einem der Marktführer für Online-Reisebüros gemacht und etliche Rivalen aufgekauft, darunter zum Beispiel den Ferienwohnungs-Vermittler und Airbnb-Rivalen Home Away.

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Quelle:
SZ vom 29.08.2017
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