Süddeutsche Zeitung

Tourismus:Vier Sterne und viel Leid

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Auf Airbnb konnte man eine ehemalige Sklavenhütte mieten, bis ein Anwalt dagegen vorgegangen ist. Das eigentliche Problem bei solchen Angeboten dürften aber die Kunden sein.

Von Lea Hampel

Eine kleine Hütte in Greenville im Bundesstaat Mississippi, ringsum viel Grün und Ruhe, eine durchschnittliche Bewertung von 4,97 Sternen, der Besitzer als "Supergastgeber" ausgezeichnet, warmes Wasser, schöne Fliesenböden - was nach großartigen Ferien klingt, hat der Übernachtungsvermittlungsplattform Airbnb nun vor allem großen Ärger eingebracht. Die Unterkunft wurde als ehemalige "Sklavenhütte" beworben, ein kleines Haus zusätzlich zum Haupthaus auf der Panther Burns Plantation, wo im 19. Jahrhundert noch Menschen im Besitz anderer Menschen waren und von ihnen zu harter Arbeit gezwungen, oft gefoltert und menschenunwürdig behandelt wurden.

All das schien wenige Besucher abzuhalten, sich eine schöne Zeit dort zu machen - bis sich der auf der Plattform Tiktok umtriebige Anwalt Wynton Yates der Sache annahm und das Angebot weltweit bekannt machte. Yates stellte in eineinhalb Minuten Video unter anderem die Frage, wie das überhaupt irgendjemand für in Ordnung befinden könne. 2,7 Millionen Menschen haben das Video angeschaut.

Für Airbnb ist das Ganze ein Marketing-GAU. Und das nicht nur, weil die Debatte um den tief in der Gesellschaft verwurzelten Rassismus und das mangelnde Bewusstsein für die Geschichte Schwarzer Menschen in den USA derzeit so erbittert geführt wird wie seit Jahrzehnten nicht. Der Ansatz der Vermietungsplattform war zuletzt vor allem auch, ihre Ausrichtung zu ändern - weg von einfach nur "Luftmatratze und Frühstück", wofür die Buchstaben ursprünglich standen, hin zu mehr Erlebnissen und Events und besonders ungewöhnlichen Unterkünften. Im Gegensatz zu früher kann man gleich auf der Startseite gezielt nach Jurten, Booten und Inseln suchen. Dass dabei "Hauptsache ungewöhnlich" als Prinzip möglicherweise etwas zu weit getrieben wurde, scheint dieses Angebot zu unterstreichen.

Wortreiche Entschuldigungen

Wenige Tage später ist das Angebot ist nicht mehr aufzufinden, Airbnb hat sich wortreich entschuldigt. Laut Washington Post hat der Konzern auch andere Angebote, die möglicherweise ehemalige Sklavenunterkünfte waren, blockiert. Auch der Besitzer ist nachgezogen, unter anderem mit der Erklärung, dass er das Gelände erst einen Monat vorher erworben habe.

Weniger reuevolle Reaktionen sind dagegen von den bisherigen Besuchern zu erwarten. Wie einer der Tiktok-Nutzer unter dem Post des Anwalts kommentiert: "Alle reden über Airbnb und den Gastgeber. Ich frage mich nach der Verantwortung der Menschen, die dort übernachtet haben. Die sind das wahre Problem." Dass auf der Konsumentenseite wenig Bewusstsein für historische Zusammenhänge herrscht, zeigt eine Bewertung zur Hütte, die Anwalt Yates besonders kritisiert: "Wir haben alles an unserem Aufenthalt genossen, die Hütte, die Geschichte, die Tour, das Frühstück..." schrieb eine Nutzerin. Einzig andere Erklärung neben Wissenslücken könnte das Phänomen des "dark tourism" sein, der Menschen an Orte treibt, wo anderen Leid geschehen ist.

Sicher ist: Solang die Nachfrage da ist, werden solche Angebote wieder auftauchen. Entschuldigung hin, Reue her, wenige Klicks weiter findet man auf der selben Plattform eine ehemalige Plantage als optimalen Ort für Hochzeiten.

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