Süddeutsche Zeitung

Berlin:So beautiful: Ivanka Trump besucht Siemens

Lesezeit: 3 Min.

Die Tochter des US-Präsidenten informiert sich über die Berufsausbildung in Deutschland. Konzernchef Joe Kaeser ist danach ganz ergriffen.

Von Sebastian Fischer, Berlin

Ivanka Trump möchte jetzt einen Kakao trinken. Sie wischt dafür über den Touch-Screen einer abenteuerlich aussehenden Maschine im dritten Stock des Berliner Ausbildungszentrums von Siemens. Ein Azubi, dessen Mitschüler diese Maschine selbst gebaut haben, hat sie dazu aufgefordert.

Ein Plastikbecher löst sich aus einer Halterung, fährt wackelnd ein Band entlang. Ein bisschen Kakaopulver fällt hinein, der Becher stockt, ein paar Stücke Würfelzucker, ein paar Tropfen heißes Wasser, der Becher ist jetzt zu einem Drittel mit sehr dünner, hellbrauner Brühe gefüllt. Ivanka Trump strahlt und sagt: "Beautiful."

Die Tochter des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika und dessen vielleicht einflussreichste Beraterin im Weißen Haus war an diesem Dienstag in Berlin. Sie hat auf einer Konferenz über Frauenrechte gesprochen, und danach war sie eine knappe Dreiviertelstunde lang bei Siemens zu Besuch.

Joe Kaeser, der Siemens-Chef, wird später voller Pathos sagen, es sei ein historischer Nachmittag für sein Unternehmen gewesen. Vielleicht meint er das sogar ein bisschen ernst.

Mysterium für viele Amerikaner

Sie wolle von den Deutschen lernen, hatte Ivanka Trump vor ihrem Besuch gesagt und das deutsche System, in der Unternehmen die Ausbildung bezahlen, ein Erfolgsbeispiel genannt. Die duale Ausbildung mit Berufsschulen und Praxislehre ist ja ein Mysterium für viele Amerikaner, die, vereinfacht gesagt, nur den Karriereweg über High School und ein teures College kennen - oder sich ihr Handwerk selbst beibringen. So manches deutsches Unternehmen in den USA organisiert die duale Ausbildung mittlerweile selbst.

Beim Besuch der Kanzlerin in Washington im März hatten Angela Merkel und Ivanka Trump darüber im Weißen Haus diskutiert. Kaeser hatte über das Siemens-Programm referieren dürfen, mit 12 000 Auszubildenden weltweit. Deshalb ist Ivanka Trump nun also hier, im weltweit größten Siemens-Ausbildungszentrum, wo 1300 junge Menschen ausgebildet werden oder ein duales Studium absolvieren. Sie hört aufmerksam zu. Zwei angehende Mechatroniker, ein Engländer und ein Holländer Anfang 20, zeigen ihr zunächst eine raumfüllend große Abfüllmaschine.

Roboter sortieren Tabletten, Trump sagt "beautiful" und "amazing", manchmal auch: "great". Kaeser erklärt ihr, was Mechatronik ist. Sie sagt: "Ich bin froh, dass Sie mir das erklären" und tätschelt ihm irgendwann die Schulter. Ach ja: Die Bildungsministerin Johanna Wanka ist auch da und sagt etwas über deutsche Berufsbildung. Trump schaut, als würde sie überlegen, wer diese Frau ist.

Doch bevor nun ein falscher Eindruck entsteht: Die Stimmung in der Runde, die rasch ein Stockwerk nach unten zur selbstgebauten Kaffeemaschine wandert - Trump hat ja noch ein paar andere Termine in Berlin am Nachmittag -, diese Runde wirkt harmonisch, wie man das von Runden mit deutschen und amerikanischen Politikern nicht unbedingt erwarten muss.

Und es ist tatsächlich erstaunlich, wie begeistert Trump davon ist, dass die Auszubildenden hier selbstständig lernen, und zu einem großen Teil nicht etwa aus Deutschland stammen, sondern aus ganz Europa. Immer wieder fragt sie die jungen Männer nach ihrer Herkunft - um die Antwort, wahlweise "great" oder "beautiful", manchmal auch: "amazing", mit einem strahlenden Lächeln zu garnieren.

"Warum helfen Sie uns nicht einfach dabei?"

Womöglich denkt auch Kaeser später daran, dass Donald Trump diese Vielfalt vielleicht nicht so wundervoll finden würde. Jedenfalls sagt der Siemens-Chef, seine Auszubildenden aus aller Welt würden bei der Arbeit auch Toleranz lernen. Er hoffe, Ivanka Trump würde in ihrer Heimat für diese Idee werben. Er berichtet von einem kuriosen Dialog mit der Präsidententochter, der wohl in etwa so ablief, dass Trump Kaeser fragte: "Warum machen Sie das nicht in den USA?" Und Kaeser Trump antwortete: "Warum helfen Sie uns nicht einfach dabei?"

Vielleicht wird dieser Nachmittag in Berlin also den Anstoß gegeben haben, dass in den USA demnächst die Ausbildung junger Menschen reformiert wird. Vielleicht war es aber auch einfach nur ein Nachmittag, an dem Ivanka Trump freudestrahlend für so etwas Vergessenes warb wie den Willen der USA, von anderen zu lernen - und dabei praktischerweise einem befreundeten Milliarden-Unternehmen ein paar schöne Bilder schenkte.

"Spontanes Gruppenfoto!", ruft Ivanka Trump zum Schluss. Die jungen Auszubildenden werden rot und laufen ihr hinterher. Als sie in ihre Limousine steigt, steht im dritten Stock ein Becher hellbraune Kakao-Brühe, unberührt.

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