Süddeutsche Zeitung

Tengelmann-Erben:Ganz wilder Westen

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2500 Hektar Grund, Seen, eine Bisonherde und Berge am Horizont: Unter den Erben des verstorbenen Tengelmann-Patriarchen Erivan Haub ist Streit über dessen Millionen teure Ranch in Wyoming entbrannt.

Von Michael Kläsgen, München

Nicht nur in Deutschland, auch in den USA streiten sich die Erben der Tengelmann-Gruppe vor Gericht. Es geht um viel Geld. Die Mitglieder der Familie Haub halten milliardenschwere Beteiligungen an Handelsketten wie Obi, Kik und Tedi. Sie haben neben der deutschen auch die US-Staatsbürgerschaft. Dem 2018 im Alter von 85 Jahren verstorbenen Patriarchen Erivan Haub trieb die Sorge um, Russland könne sein Einflussgebiet gen Westen ausdehnen. Deswegen wollte er ein sicheres Rückzugsgebiet für sich und seine Familie haben. Er kaufte nach und nach schätzungsweise gut 2500 Hektar Land in Pinedale, im Bundesstaat Wyoming, und ließ dort eine Bison-Ranch mit Landhäusern für jeden Familienstamm und für sich und seine Frau Helga errichten. Es ist ein schönes Stückchen Erde, weite Ebenen, Seen, schneebedeckte Berge am Horizont, sehr viel Natur, wenig Menschen.

Erivan Haub liebte die Ranch. Hier ist er im Beisein seiner Frau Helga auch gestorben. Beerdigt wurde er auf einem Hügel, von dem man auf die Ranch blicken kann. Das Anwesen war zu seinen Lebzeiten der Familiensitz, auf dem alle Probleme gelöst werden sollten - wenn auch nur oberflächlich, wie sich nun zeigt. Inzwischen ist die Ranch zum Ort der Zwietracht und offenkundig der späten Rache für persönliche Kränkungen geworden.

Erivan hatte in seinem Testament offenbar missverständlich geregelt, an wen sein auf 35 Millionen US-Dollar geschätzter Nachlass in den USA nach seinem Tod übergehen soll. Der Grundbesitz der Familie und andere Vermögenswerte der Ranch werden von einer nach dem Recht von Wyoming organisierten Familiengesellschaft namens CL Bar Properties gehalten. Zum Zeitpunkt seines Todes besaß Erivan Haub alle Anteile daran. Sein Nachlassplan, der offenbar nur ein Zettel war, sah vor, dass sein gesamtes US-Vermögen in drei gleiche Anteile aufgeteilt werden solle, wobei jeder seiner drei Söhne, Karl-Erivan, Christian und Georg, einen gleichen Anteil erhalten sollte.

Doch etwa einen Monat nach dem Tod des Patriarchen verschwand sein ältester Sohn, der damalige Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub, in den Schweizer Alpen. Bis heute ist er dort verschollen geblieben, aber bis heute auch nicht für tot erklärt worden, worüber ein Rechtsstreit in Deutschland tobt. Was das Gezerre um den Nachlass in den Vereinigten Staaten betrifft, schildern die US-Anwälte der Familie des Verschollenen den Fortgang der Dinge so: Einige Wochen nach dem Verschwinden seines Bruders habe Christian Haub, der heutige Tengelmann-Chef, bei einem New Yorker Gericht den Antrag gestellt, die volle Kontrolle über den Nachlass des Vaters in den USA zu übernehmen. Christian Haub sei nun der Präsident von CL Bar Properties und habe seine Ehefrau Liliane 2019 zur Vizepräsidentin ernannt. In seiner Funktion als Präsident soll Christian Haub jetzt über die Verteilung des Erbes verfügen.

Kurz vor Weihnachten 2019 habe einer seiner US-Anwälte eine E-Mail an die Familie des Vermissten geschickt, in der er ihr mitteilte, dass er keine Anteile der CL Bar Properties an Karl-Erivan Haub verteilen könne, da dieser verschollen sei. Die Zwillinge des Verschollenen, Erivan und Viktoria Haub, könnten auch keine Ersatzerben sein, da der in Wyoming verstorbene Patriarch Erivan ausdrücklich den Nachlass nur an seine drei Söhne verteilt habe. Da nun einer von ihnen verschwunden sei, werde der Nachlass nicht gedrittelt, sondern halbiert und auf Christian sowie Georg verteilt, die Enkel Erivan und Viktoria hingegen enterbt.

Im März 2020 klagte die Familie des Verschollenen vor dem Bezirksgericht in Wyoming dagegen. Sie will eine gerichtliche Verfügung erwirken und erreichen, dass die Anteile an CL Bar Properties zu gleichen Teilen an die drei Stämme verteilt werden. In der Klage behauptet der Kölner Familienstamm, Christian Haub versuche, sich zum Nachteil anderer Erben ungerechtfertigt zu bereichern.

Die Ehefrau des Patriarchen, Helga Haub, muss den Streit ihrer Kinder und Enkel mit ansehen. Sie steht auf der Seite der Kölner. Persönlich hält sie keine Anteile am US-Vermögen und hat auch keinen Anspruch darauf. Stattdessen ist sie offenkundig selbst Leidtragende des Unvermögens ihrer Familie, kühlen Kopf zu bewahren.

Im Oktober 2019 ließ Christian Haub sie über einen seiner New Yorker Anwälte wissen, sie solle bitte vorerst nicht einplanen, auf der Ranch zu übernachten. Generell würden Besuche eingeschränkt. Grund dafür sei, dass Wertgegenstände abhanden gekommen seien. Zudem sollen die Kosten zur Bewirtschaftung des Anwesens heruntergefahren werden. Das Personal auf der Ranch sei angewiesen worden, Besuch bis auf Weiteres abzuweisen, es sei denn, er genehmige es ausdrücklich. Er würde sich aber freuen, ihr zu helfen, falls sie das Grab ihres Mannes besuchen wolle, wenn es denn zugänglich sei. Aber zum Übernachten müsse sie woanders hin. Er habe auch Verständnis, falls sie ihre persönlichen Gegenstände aus ihrem Landhaus vermisse. Gern schicke er ihr diese zu, wo immer sie sei.

Christian Haub soll zudem, so berichten es die Anwälte der Kölner, im Juni strenge Corona-Regeln auf der Ranch aufgestellt haben. Danach muss jedes Familienmitglied, das in den 14 Tagen vor seinem Besuch nicht in den USA war, sich für 14 Tage in seinem Landhaus in Quarantäne begeben und darf diese in der Zeit nicht verlassen. "Ein Sheriff hat Viktoria Haub neulich vom Hof verjagt", sagt der Sprecher der Kölner Familie.

Christian Haub hat bis zum Verschwinden seines Bruders mit seiner Frau und seinen vier Kindern in den USA gelebt und dort die US-Geschäfte der Tengelmann-Gruppe gemanagt. Er war immer die Nummer zwei in der Familie gewesen; und dann kam auch noch das Jahr 2010, die Tengelmann-Gruppe feierte gerade ihr 143-jähriges Bestehen, da musste sie für ihre umsatzstärkste Beteiligung, den Supermarktkonzern A&P in den USA, Insolvenz beantragen. Vater Erivan und Bruder Karl-Erivan kreideten Christian den Flop an.

Heute ist er der Chef und laut Forbes mit einem Nettovermögen von 3,2 Milliarden Dollar ein reicher Mann. Sein Anwalt in Deutschland, Mark Binz, teilte mit, er wolle keine Stellungnahme im Rechtsstreit um die Ranch abgeben.

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